Das LG Bonn hat sich einmal mehr mit den Widerrufsbelehrungen der Postbank (DSL-Bank) beschäftigen dürfen.
Dabei stellte das LG Bonn in seinem Urteil vom 04.03.2016 Az. 3 O 367/15 nicht nur klar, dass eine von der Postbank (DSL-Bank) verwendete Variante der Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, sondern auch, dass ein Aufhebungsvertrag trotz Abgeltungsklausel den späteren Widerruf nicht ausschließt.
Das LG Bonn sieht eine Widerrufsbelehrung eines Darlehens von der Postbank (DSL-Bank) als fehlerhaft an, die u.a. folgenden Passus enthielt:
“Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer
‑ein Exemplar dieser Belehrung
-und eine Urkunde oder eine Abschrift des Darlehensvertrages oder das Vertrags-/Darlehensangebot des Darlehensnehmers, das alle Vertragsbedingungen enthält, — im Original oder in Abschrift — sowie die Finanzierungsbedingungen
erhalten hat.”
Das LG Bonn stellte dabei fest, dass diese Formulierung für den unkundigen Darlehensnehmer irreführend ist.
“Sie entspricht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB nicht, da durch die Formulierung der in dem von der Beklagten übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung, die Widerrufsfrist beginne „zu dem Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer ein Exemplar dieser Belehrung und … eine Abschrift des Darlehnsvertrages erhalten hat“, aus der maßgeblichen Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vgl. dazu BGH Urteil vom 18.04. 2005, Az. II ZR 224/04, WM 2005, 1166, 1168), der Eindruck entstehen kann, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden “Darlehensvertrag(es)” der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits zum dem Zeitpunkt des Zugangs des Angebots der Beklagten zu laufen (vgl. insofern BGH Urteil vom 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08, Rn. 16).”
Daher stand den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu. Dem stand laut LG Bonn auch der Aufhebungsvertrag nicht entgegen. Die Kläger hatten den 2008 geschlossenen Darlehensvertrag 2014 vorzeitig zurückgezahlt. Die dabei unterschriebene Vereinbarung enthielt u.a. folgenden Absatz:
„Mit den vorgenannten Bedingungen erklärt/ erklären sich der/ die Darlehensnehmer einverstanden. Nach Zahlung der vorgenannten Beträge sind alle gegenseitigen Ansprüche bezüglich der v.g. Darlehensbeträge abgegolten“.
Die Kläger machten sodann 2015 von ihrem Widerrufsrecht gebrauch und forderten von der Postbank (DSL-Bank) die zu Unrecht erlangte Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Wie jetzt das LG Bonn in seinem Urteil vom 04.03.2016 Az. 3 O 367/15 entschied, wird dies nicht durch die Aufhebungsvereinbarung und die Abgeltungsklausel verhindert.
Eine Vertragsauslegung ergäbe nicht, dass die Kläger mit diesem Aufhebungsvertrag auf ihr Widerrufsrecht verzichten wollten.
“Die Vereinbarung zielt nach Auffassung der Kammer darauf ab, die vertraglichen Verpflichtungen einvernehmlich zu ändern, nicht hingegen darauf, Pflichten aufgrund gesetzlich bestehender und möglicherweise ausgeübter Gestaltungsrechte vollständig und abschließend aufzuheben.”
Ein Verzicht aus der Aufhebungsvereinbarung selbst ließe sich ebenfalls nicht ableiten. Das Urteil ist eine erfreuliche Neuigkeit für alle betroffenen Darlehensnehmer der Postbank (DSL-Bank), die eine solchen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben.
“Auch bei isolierter Betrachtung der in der Aufhebungsvereinbarung enthaltenen Abgeltungsklausel vermag die Kammer eine materiell-rechtliche vertragliche Verzichtserklärung nicht zu erkennen.”
“In der vorliegenden Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Darlehensnehmer davon ausgingen und ausgehen mussten, dass die Abgeltungsklausel sich über die Geltendmachung der vorgenannten Beträge hinaus auch darauf erstreckt, die Ansprüche auszuschließen, die aus einem widerrufsbedingt eintretenden gesetzlichen Rückgewährschuldverhältnis resultieren. Dies gilt unabhängig von der zu vermutenden Unkenntnis betreffend das Bestehen eines Widerrufsrechts insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Ansprüche eine andere Rechtsnatur aufweisen und ihrer Berechnungsweise bzw. Größenordnung nach über die in der Aufhebungsvereinbarung genannten Ansprüche möglicherweise hinausgehen.”
Besonders interessant ist dabei, dass das LG Bonn am Ende des Urteils bereits aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus, die Abgeltungsklausel für unwirksam hält. Das LG Bonn nimmt einer sogenannte AGB-Kontrolle vor und kippt damit die Abgeltungsklausel als unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer.
“Denn eine Abgeltungsklausel, die gesetzlich bestehende zwingende Regelungen ausschließt, ist ungeachtet dessen unwirksam, ob sie als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB auszulegen und damit auch anhand des Maßstabes der §§ 307 ff. BGB auf das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung hin zu überprüfen ist.”
Die Verwirkung und der Rechtsmissbrauch wurden ebenso angesprochen und abgelehnt.
“Nach Ansicht der Kammer begründet die Vertragsaufhebung und die damit verbundene Erfüllung aller wechselseitiger Pflichten zwar grundsätzlich ein Umstandsmoment (so auch OLG Köln, Beschlüsse vom 21.05.2014 und vom 05.08.2013, Az. 13 U 219/12). Es bedarf aber auch insoweit eines gewissen Zeitablaufes bis die Darlehensgeberin aufgrund der vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta nicht mehr mit einem Widerruf und einer sich daran anknüpfenden Rückabwicklung rechnen muss, sondern auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen darf (OLG Köln, Urteil vom 25.01.2012, Az. 13 U 30/11; Beschluss vom 21.05.2013, Az. 13 U 219/12, Rn. 11, juris). Ein – die gesetzliche Regelverjährung noch unterschreitender – Zeitraum von acht Monaten zwischen Vertragsaufhebung und Ausübung des Widerrufsrechts ist dabei zu gering, um das Zeitmoment bejahen zu können (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2015, Az. 6 U 21/15, Rn. 69, juris).”
Als kleiner Wehrmutstropfen, sah das LG Bonn eine andere Varainte einer Widerrufsbelehrung der Postbank (DSL-Bank) in dieser Entscheidung als wirksam an.
Betroffene Darlehensnehmer, die Ihren Darlehensvertrag noch wiederrufen wollen und/oder ggf. eine Vorfälligkeitsentschädigung/Nutzungsersatz zurückverlangen bzw. geltend machen wollten, haben dafür nicht mehr lange Zeit. Aufgrund eines neuen Gesetzes wird das Widerrufsrecht für sogenannte “Altverträge” mit dem 21.06.2016 erlöschen.
Darlehensnehmer, die einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben, erhalten durch das jetzt erganene Urteil des LG Bonn neue Chancen ihren Widerruf erfolgreich durchsetzen zu können. Sie sollten daher nicht zögern anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen und Ihre Rechte prüfen zu lassen, ob ein Widerruf sinnvoll ist.
Die Kanzlei hünlein rechtsanwälte finden Sie in Frankfurt am Main unter folgender Adresse (Kontakt):
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Alle Zitate entstammen dem eingangs genannten Urteil des LG Bonn vom 04.03.2016 Az. 3 O 367/15.