Das Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge ist nicht Mitte des letzten Jahres untergeangen. Zwar können Darlehensverträge, die bis zum 10.06.2010 geschlossen wurden, per Gesetz nach dem 21.06.2016 nicht mehr widerrufen werden, dies betrifft aber nicht Darlehensverträge und Prolongationsvereinbarungen, die danach geschlossen wurden.
Es gibt in Verbraucherdarlehensverträgen, die nach ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden, Fehlerquellen, bei deren vorliegen die Darlehensnehmer nach wie vor zum Widerruf berechtigt sein können. Die folgenden Ausführungen beziehen sich dabei im Wesentlichen auf Immobiliardarlehensverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden. Neuere Verträge, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, unterfallen hingegen einem erneut geänderten Widerrufsrecht.
Bei Darlehensverträgen die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden, kann nach wie vor ein sogenanntes „Ewiges Widerrufsrecht“ vorliegen.
Für ein bestehendes Widerrufsrecht gibt es nach neuerem Widerrufsrecht je nach Vertragsabschlusszeit und Vertragstyp mehrere mögliche normierte Fehlerquellen.
Klassische Fehler in den Widerrufsinformationen/Widerrufsbelehrung nach §§ 495, 492 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F..
Falsche oder fehlende Pflichtinformationen nach §§ 495, 492 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art 247 §§ 6- 13 EGBGB a.F..
Fehlende Angaben nach § 494 Abs. 2 — 6 BGB a.F..
In allen drei Fällen kann ein Widerrufsrecht oder Kündigungsrecht bestehen. Die geforderten Informationen überschneiden sich dabei bisweilen. Die Widerrufsinformationen sind selbst Teil der Pflichtinformationen, können aber auch eigene Fehler enthalten. Die notwendigen Angaben nach § 494 BGB a.F. sind zum Teil wesentliche Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB a.F.. Für alle drei Varianten gibt es aber unterschiedliche Voraussetzungen dafür, wie ein Fehler gestaltete sein muss, damit es ein Fehler im Sinne des Gesetzes ist. Hier wird es vor allem auf die zukünftige Auslegung der Gerichte ankommen.
Maßgeblich für die Frage, welche Angaben im Vertrag notwendig sind, damit die Widerrufsfrist in Gang gesetzt wird, ist immer wann wurde der Vertrag geschlossen, wie wurde er geschlossen, d.h. Präsenzgeschäft oder Fernabsatz und um was für einen Darlehensvertrag handelt es sich. Für alle Varianten bestehen unterschiedliche gesetzliche Anforderungen und mögliche Fehlerquellen. Insoweit ist immer eine genaue Prüfung des Darlehensvertrages notwendig.
Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich vorrangig mit Immobiliendarlehensverträgen.
Wesentlicher Bestandteil der Pflichtinformationen sind zunächst die Widerrufsinformationen selbst.
Hierfür wurde den Banken erneut vom Gesetzgeber ein Muster in die Hand gegeben (im Zeitraum vom 11.06. bis 29.07.2010 existierte kein Muster). Verwendet die Bank genau dieses jeweils gültige Muster, kann sie sich auf den Vertrauensschutz berufen. Dies bedeutet, dass vermutet wird, dass ausreichend über das Widerrufsrecht belehrt wurde.
Selbst wenn eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt wurde, schützt dies die Bank jedoch nicht vor weiteren Fehlern in den übrigen Pflichtinformationen. Nur wenn alle jeweils zum Vertrag und dem Zeitraum passenden notwendigen Informationen im Vertrag vorliegen, beginnt die Widerrufsfrist zu laufen.
Das Muster für die Widerrufsbelehrung von Verbraucherdarlehensverträgen befindet sich in der Anlage 6 bzw. ab dem 13.06.2014 in der Anlage 7 zum Art 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der jeweiligen Fassung.
Weichen die Widerrufsinformationen in unzulässiger Art und Weise von dem Muster ab und enthalten falsche oder irreführende Angaben, liegen fehlerhafte Widerrufsinformationen vor. Das Widerrufsrecht beginnt sodann i.d.R. nicht, bevor ausreichend nachbelehrt wird.
Hier reicht oftmals bereits ein einfacher Abgleich des Musters in der passenden Variante mit den Widerrufsinformationen im Darlehensvertrag.
Mögliche Fehler sind u.a. Folgende:
Veraltete Widerrufsbelehrungen.
Es werden veraltete Widerrufsbelehrungen verwendet, die noch auf die alte Rechtslage von vor dem 11.06.2010 Bezug nahmen. Dies erkennt man daran, dass die Widerrufsinformationen nicht mit „Widerrufsinformationen“ überschrieben sind, sondern mit dem alten Begriff „Widerrufsbelehrung“.
Oftmals wird im Weiteren der Belehrung nicht auf die Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB Bezug genommen oder darauf verwiesen, dass das Widerrufsrecht nicht vor Vertragsschluss zu laufen beginnt.
Weiterer markantes Merkmal ist, dass in den Widerrufsfolgen nicht auf einen zu zahlenden Tageszinssatz hingewiesen wird. Diese Angabe ist für neuere Widerrufsinformationen eine Pflichtangabe.
Die Degussa Bank hat zum Teil 2010 und 2011 noch veraltete Widerrufsbelehrungen verwendet. Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 30.01.2017 Az. 23 U 39/16 in einem derartigen Fall zugunsten der Darlehensnehmer geurteilt.
Die Nennung der Aufsichtsbehörde als Pflichtinformation.
Das Fehlen der Nennung der Aufsichtsbehörde an sich ist in Immobiliendarlehen zunächst kein Fehler im Sinne der Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F.. Es wird erst dadurch zum Fehler, wenn in den Widerrufsinformationen die Nennung der Aufsichtsbehörde gefordert wird, diese im Vertrag aber nicht benannt wird. (u.a. BGH vom 22.11.2016 Az. XI ZR 434/15).
Verweis auf das Verfahren zur Kündigung des Darlehensvertrages in der Widerrufsbelehrung.
Gerade in der Übergangszeit zwischen dem alten und neuen Widerrufsrecht nach dem 11.06.2010 wurde teilweise bei Immobiliendarlehensverträgen zudem noch auf das Verfahren zur Kündigung des Vertrages als notwendige Pflichtinformation in den Widerrufsinformationen verwiesen. Diese Angaben dürfen dann im Vertrag ebenfalls nicht fehlen, sondern müssen umfassend und richtig dargestellt sein.
Angabe zu verbundenen oder anzugebenden Geschäften in den Widerrufsinformationen.
Wird in den Widerrufsinformationen ferner auf verbundene Geschäfte verwiesen, ohne dass diese im rechtstechnischen Sinne wirklich vorliegen, ist dies fehlerhaft. Es entsteht damit der irrige Eindruck des Darlehnsnehmers, der Widerruf des Darlehensvertrages hätte Auswirkungen auf einen weiteren Vertrag.
Die Finanzierung einer Immobilie ist z.B. nur dann ein verbundenes Geschäft, wenn die Bank die Immobilie vermittelt hat und ganz wesentlich bei dem Kauf mitgewirkt hat. Das bloße Bereitstellen des Kapitals reicht dafür nicht aus. Verweist die Bank jedoch in den Widerrufsinformationen darauf, dass mit dem Widerruf auch der Immobilienkaufvertrag widerrufen wird, ohne tatsächlich am Kauf mitgewirkt zu haben, ist dies falsch.
Liegt hingegen ein tatsächlich mit dem Darlehensvertrag verbundenes Geschäft vor und es wird in den Widerrufsinformationen nicht darauf hingewiesen, ist dies ebenfalls ein Fehler.
Insoweit sind fast alle Ausführungen der Banken zu verbundenen Geschäften in den Widerrufsinformationen zunächst auf ihre Korrektheit hin zu überprüfen.
Wird hier der falscher Eindruck erweckt, dass mit dem Widerruf auch ein weiterer Vertrag widerrufen werden kann oder umgekehrt, dass mit dem Widerruf eines anderen Vertrages der Darlehensvertrag widerrufen werden kann, ohne dass dies zutrifft, ist dies eine irreführende Angabe.
Liegen hingegen nur anzugebende Geschäfte vor, konnte die Bank entsprechende Hinweise in die Widerrufsinformationen einfügen, musste dies aber nicht. Diese Angaben sind daher nur dann ein Fehler, wenn sie in den Widerrufsinformationen enthalten sind, aber kein anzugebendes Geschäft vorliegt.
Fehlerhafte Angabe zum Tageszinssatz.
In den Widerrufsfolgen der Widerrufsinformationen muss die Bank zudem den Tageszins auf den Cent genau angeben. Fehlt diese Angabe sind auch hier die Widerrufsinformationen entsprechend kompromittiert.
Werden hingegen mit einem Vertrag gleich mehrere Darlehensverträge geschlossen, so müssen die Widerrufsinformationen dies widerspiegeln.
Fehler in den Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F..
Neben den Widerrufsinformationen selbst, kommt es seit dem 30.07.2010 auf eine ganze Reihe weitere sog. gesetzlicher Pflichtinformationen an. Nur wenn diese alle ordnungsgemäß im Vertrag vorhanden sind, beginnt die Widerrufsfrist zu laufen.
Die Pflichtinformationen ergeben sich für Verbraucherdarlehensverträge aus dem § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art 247 § 6 — 13 EGBGB in der jeweiligen Fassung. Die notwendigen Pflichtangaben sind je nach Vertragstyp höchst unterschiedlich.
Für bestimmte Darlehensarten, wie etwa Immobiliendarlehen begrenzt Art 247 § 9 EGBGB in der jeweiligen Fassung die notwendigen Pflichtangaben im Darlehensvertrag.
Für Immobiliendarlehen sind folgende Pflichtinformationen notwendig:
- Name und Anschrift des Darlehensgebers sowie ggf. eines Darlehensvermittlers
- Art des Darlehens
- Die Angabe des effektiven Jahreszinses
- Den Nettodarlehensbetrag
- Die Vereinbarung eines Sollzinssatzes mit Zusatzangaben
- Die hochgerechnete Vertragslaufzeit bis zur vollständigen Tilgung
- Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen
- Sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag
- Widerrufsinformationen
Fehlt eine dieser Angaben, fehlt eine Pflichtinformation und ein Widerrufsrecht kann fortbestehen. Aus dem Gesetz können sich dabei noch weitere zusätzliche Pflichtinformationen ergeben.
Dabei sind Fehler nicht immer auf den ersten Blick als solche erkennbar. Auch wenn alle o.g. Informationen im Vertrag enthalten sind, bedeutet dies nicht zwingend, dass die Angaben korrekt sind.
Fehlender Hinweis auf vermögensbildende Maßnahmen (z.B. Bausparvertrag, Lebensversicherung).
Sollte zudem der Darlehensnehmer zu vermögensbildenden Maßnahmen von der Bank verpflichtet worden sein, bedarf es eines entsprechenden Hinweises nach Art 247 § 8 EGBGB in der jeweiligen Fassung im Vertrag.
Die Bank muss darauf hinweisen, dass im Rahmen des Darlehensvertrages verpflichtend gebildete Vermögen in Form etwa einer Lebensversicherung oder eines Bausparvertrages ggf. nicht zur Rückzahlung des Darlehens ausreicht und der überschießende Teil vom Darlehensnehmer getragen werden muss. Fehlt dieser Hinweis fehlt eine entsprechende Pflichtinformation.
Werden die entsprechenden Pflichtangaben nicht im Vertrag genannt, können sie vom Darlehensgeber nachgereicht werden. Dieser muss sodann jedoch darauf hinweisen, dass die Widerrufsfrist erst mit der Nachholung der Informationen beginnt und diese sodann einen Monat beträgt.
Dieser Hinweis kommt immer dann in Betracht, wenn als Sicherheit oder zur Tilgung Bausparverträge oder Versicherungsverträge abgetreten wurden.
Alle Pflichtinformationen inkl. den Widerrufsinformationen müssen sich im Darlehensvertrag befinden.
Die Informationen befinden sich dann im Vertrag, wenn sie zwischen Überschrift Darlehensvertrag und der Unterschrift des Darlehensnehmers zu finden sind. Der BGH hat in seinem Urteil vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16 jedoch ausgeführt, dass auch fest mit dem Vertrag verbundene Anlagen zum Vertrag gehören können ebenso wie AGBs. Insoweit ist immer genau zu prüfen, was Teil des Vertrages ist und was nicht. Dies hängt u.a. von den Formulierungen im Vertrag ab.
Neben den Fehlern in den Widerrufsinformationen und den Pflichtinformationen können fehlende oder falsche Angaben nach § 494 Abs. 2 — 6 BGB a.F. dazu führen, dass ein Beendigungsmöglichkeit des Darlehensvertrages besteht.
Fehlen im Vertrag Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 BGB, ist der Darlehensnehmer jederzeit zur Kündigung berechtigt.
Im Rahmen des § 494 BGB wurden die Fehler bisher allerings sehr restrektiv ausgelegt.
Bei einer Nachlieferung von Informationen, die zuvor gefehlt haben und im Rahmen des o.g. notwendige Informationen gewesen sind, muss zudem immer deutlich werden, dass damit der Beginn des Widerrufsrecht verbunden ist und die Frist einen Monat dauert.
Selbst wenn nicht die Übergabe eines korrigierten Darlehensvertrages notwendig ist, muss bei jeder Korrektur oder Ergänzung einer Pflichtinformation die Bank immer auf das noch bestehende Widerrufsrecht und die Monatsfrist hinweisen. Andernfalls wird der Fehler in den Pflichtinformationen nicht geheilt und ein ggf. bestehendes Widerrufsrecht währt fort.
Nach dem Gesetzeswortlaut und der Begründung des Gesetzgebers, können selbst kleinste Fehler in den Widerrufsinformationen und den Pflichtinformationen zu einem weiterhin bestehenden Widerrufsrecht führen.
Neben den rechtlich relevanten Informationen müssen natürlich auch die tatsächlichen Voraussetzungen für den Beginn des Widerrufsrechts vorliegen.
Dies bedeutet, die Widerrufsfrist beginnt auch dann nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat.
Eine Vertragsurkunde muss z.B. laut BGH Urteil vom 21.02.2017 XI ZR 381/16 gewiße formalen Anforderungen genügen, nur dann ist es eine Vertragsurkunde. Liegen diese nicht vor, kann schon mangels übergabe einer Vertragsurkunde, dass Widerrufsrecht nicht zu laufen beginnen.
In der Praxis erkennen viele Banken den späten Widerruf jedoch nicht an und es läuft oft auf eine Klage gegen die Bank hinaus.
In einem Gerichtsverfahren obliegt es dem Gericht das Gesetz auszulegen. Hier ist das Gericht im Rahmen der richterlichen Freiheit ungebunden. Insoweit kann das Ergebnis der richterlichen Auslegung der Normen und Fehler variieren.
Dies insbesondere auch deshalb, weil es für die neueren Darlehensverträge nur eine Handvoll aussagekräftiger Entscheidungen von Oberlandesgerichten und nur sehr wenige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die den Gerichten als Leitfaden dienen können, gibt. Daher ist die Rechtsprechung hinsichtlich neuere Darlehensverträge ab dem 11.06.2010 etwas zersplittert in der Republik.
Nennenswert sind bisher insbesondere die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 23.02.2016 Az. XI ZR 101/15 und 22.11.2016, Az. XI ZR 434/15, sowie vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16.
Der Widerruf selbst sollte immer bedingungslos erklärt werden. Als Gestaltungsrecht ist er bedingungsfeindlich. Er sollte zudem nicht als Druckmittel für eine Nachverhandlung mit der Bank verwendet werden.
Gleichfalls sollte ein Widerruf nicht ohne Grund erklärt werden, denn auch eine Bank kann auf Wirksamkeit des Vertrages klagen und den Darlehensnehmer so in einen Prozess zwingen, wenn er den Widerruf erklärt. Stellt sich dieser sodann als unberechtigt heraus, trägt der Darlehensnehmer ggf. die Kosten des Verfahrens.
Zögern Sie daher nicht, sich anwaltlich beraten zu lassen, ob Ihnen noch ein Widerrufsrecht zusteht.
Die Kanzlei hünlein rechtsanwälte finden Sie in Frankfurt am Main unter folgender Adresse (Kontakt):
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