Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 24.01.2017 Az. 6 U 96/16 in einem Verfahren gegen die LBBW entschieden, dass der Widerruf eines Darlehensvertrages 2 Jahre nach Rückführung wirksam und rechtmäßig war. Daran änderte ein zum Zwecke der Rückführung geschlossener Aufhebungsvertrag nichts.
Konkret ging es in dem Verfahren um zwei Darlehensverträge bei der LBBW. Beide wurden 2008 geschlossen und enthielten unterschiedliche Widerrufsbelehrungen. Einer der Darlehensverträge wurde 2012 vorzeitig zurückgeführt. Hierfür wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen und eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.322,76 € geleistet. Der Widerruf beider Verträge erfolgte im Dezember 2014.
Hinsichtlich des nicht zurückgeführten Vertrages entschied das OLG Stuttgart im Einklang mit dem LG Stuttgart, dass sich die LBBW an das damalige Muster der Widerrufsbelehrung in der Anlage 2 zum § 14 Abs. 2 BGB InfoVO a.F. in unveränderter Form gehalten hat. Die LBBW konnte sich insoweit daher auf den sogenannten Musterschutzes des § 14 Abs. 1 BGB InfoVO a.F. berufen. Der Widerrufs war mithin nicht mehr möglich.
Hinsichtlich des zweiten und vorzeitig zurückgeführten Darlehensvertrages entschied das OLG Stuttgart ebenfalls im Einklang mit dem LG Stuttgart, dass der Widerruf des Darlehensnehmers hingegen berechtigt erfolgte. Der Kläger durfte die geleistete Vorfälligkeitsentschädigung zu Recht zurückfordern.
Beide Widerrufsbelehrungen enthielten den vom BGH als fehlerhaft angesehenen Passus “frühestens”.
Der Unterschied in den beiden Widerrufsbelehrungen war, dass die LBBW einmal zusätzlich Ausführungen zu „Finanzierte Geschäfte“ machte und einmal nicht. In der zweiten Widerrufsbelehrung mit dem Passus „Finanzierte Geschäfte“ enthielten diese Abweichungen vom damaligen Muster der Widerrufsbelehrung. Insoweit wurde entsprechend das Muster nicht vollständig und unverändert übernommen. Der Musterschutz nach § 14 Abs. 1 BGB InfoVO a.F. entfiel, die Widerrufsbelehrung war mithin irreführend und das „Ewige Widerrufsrecht“ bestand. Der Widerruf war wirksam.
An der Wirksamkeit des Widerrufs änderte weder der Aufhebungsvertrag etwas, noch der erst nach Rückführung erklärte Widerruf.
Das OLG Stuttgart fasst es in seinem Urteil vom 24.01.2017 Az. 6 U 96/16 wie folgt:
„Der Umstand, dass die Parteien den Darlehensvertrag einvernehmlich aufgehoben haben, steht dem späteren Widerruf nicht entgegen. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses und die beiderseits vollständige Leistungserbringung lässt das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers nicht entfallen (BGH v. 11.10.2016 — XI ZR 482/15 Rn. 28; v. 24.11.2009 — XI ZR 260/08; v. 7.5.14 — IV ZR 76/11; v. 29.7.15 — IV ZR 384/14, Rn. 30). Als Rechtsgrund für die ausgetauschten Leistungen besteht das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis fort und kann auch nach Beendigung noch widerrufen werden. Durch die Aufhebungsvereinbarung wurde auch kein selbständiger, von den ursprünglichen Vertragsbeziehungen losgelöster Schuldgrund geschaffen, der durch den Widerruf nicht berührt wäre. Der Annahme, dass mit der Aufhebungsvereinbarung ein neuer Schuldgrund geschaffen wurde, der das Widerrufsrecht der Kläger abschneiden würde, steht zudem entgegen, dass die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts zum Schutz des Verbrauchers halbzwingend sind (§ 506 Abs.1 BGB).“
Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist weniger die Würdigung der behandelten Widerrufsbelehrungen. Diese war aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des OLG Stuttgart relativ vorhersehbar.
Die Besonderheit an der Entscheidung ist, dass das OLG Stuttgart keine Verwirkung des Widerrufsrechts angenommen hat, weil es erst nach Rückführung und nach dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages ausgeübt wurde. Zwar hatte das OLG Stuttgart dies bereits in der Vergangenheit so entschieden, wurde dabei allerdings jüngst vom BGH in einem Verfahren aufgehoben.
Der BGH hatte mit Urteil vom 11.10.2016 Az. XI ZR 482/15 bereits einmal über eine Widerrufsbelehrung der LBBW entschieden. An der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung bestand beim BGH ebenfalls kein Zweifel, aber auch in diesem Fall war das Darlehen vorzeitig zurückgeführt und erst danach widerrufen worden.
Das Urteil des OLG Stuttgart hatte der BGH aufgehoben und in der Sache zurückverwiesen. Dies mit der Begründung, dass OLG Stuttgart habe, die dort ebenfalls vorliegende vorzeitige Rückführung und deren Umstände, nicht ausreichend tatrichterlich gewürdigt.
Das OLG Stuttgart fasste die Kritik des BGHs bereits in dem jetzt ergangene Urteil auf und würdigte entsprechend genau die Umstände der vorzeitigen Rückführung. Das Ergebnis war allerdings erneut, dass der Widerruf auch nach Vertragsende und vorzeitiger Rückführung wirksam ist.
Das OLG Stuttgart führt in seinem Urteil vom 24.01.2017 Az. 6 U 96/16 aus:
„Die Feststellung, dass die Beklagte aus dem gesamten Verhalten des Klägers den Schluss ziehen durfte, von dem auch nach Vertragsbeendigung fortbestehenden Widerrufsrecht werde kein Gebrauch mehr gemacht, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht treffen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Vertrag auf Wunsch des Klägers vorzeitig abgewickelt wurde, rechtfertigte das Verhalten des Klägers aus Sicht der Beklagten nicht die Annahme, er würde ein bestehendes Widerrufsrecht nicht mehr ausüben.
Diesen Schluss konnte die Beklagte aus dem Verhalten des Klägers nicht ziehen, weil sie damit rechnen musste, dass dem Kläger sein Widerrufsrecht bei Ablösung des Kredits und auch in der Zeit danach nicht bekannt war. Für die Beklagte bestand kein Anlass, zu unterstellen, dass der Kläger das Bestehen eines Widerrufsrechts geprüft oder auch nur in Betracht gezogen hat. Aus der maßgeblichen Sicht der Bank ist das Fortbestehen des Widerrufsrechts für den Verbraucher gerade dann nicht ohne weiteres erkennbar, wenn die Widerrufsbelehrung — wie hier — den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH v. 12.7. 2016 — XI ZR 564/15 Rn. 40). Es gab für die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger sei insoweit rechtlich beraten gewesen.
Zwar ist der Einwand der Verwirkung nicht generell ausgeschlossen, wenn dem Berechtigen sein Recht nicht bekannt ist (BGH v. 16.3.2007 — V ZR 190/06; v. 27.6.1957 — II ZR 15/56). Soweit die Verwirkung aber an das Tatbestandsmerkmal geknüpft wird, dass der Verpflichtete aus dem Verhalten des Berechtigten das Vertrauen geschöpft hat, dieser werde sein Recht nicht mehr ausüben, spricht es gegen die Annahme dieses Vertrauenstatbestandes, wenn der Schuldner davon ausgehen muss, dass der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß (vgl. BGH v. 15.9.1999 — I ZR 57/97, Rn. 24; Grüneberg in: Palandt, BGB, 76. Aufl., § 242 Rn. 95 und Rn. 107). Da aus Sicht der Beklagten zu unterstellen war, dass der Kläger die Aufhebungsvereinbarung geschlossen und erfüllt hat, ohne einen Widerruf überhaupt in Erwägung gezogen zu haben, gab es keinen Grund für die Annahme, der Kläger übe sein Widerrufsrecht bewusst nicht aus. Es gab auch keine aus dem Verhalten des Klägers abzuleitenden Anhaltspunkte dafür, dass er mutmaßlich auch dann nicht widerrufen werde, wenn er von seinem Gestaltungsrecht später Kenntnis erlangen würde. Aus Sicht der Beklagten war vielmehr naheliegend, dass der Kläger nur deshalb zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung bereit war, weil ihm nicht bekannt war, dass er sich auch ohne Vorfälligkeitsentschädigung von dem Vertrag lösen konnte, und er dieses trotz der Vertragsbeendigung fortbestehende Recht möglicherweise geltend machen würde, würde er davon erfahren.
Die Beklagte musste deshalb in Rechnung stellen, dass die Bereitschaft des Klägers, den Kredit gegen ein Aufhebungsentgelt vorzeitig zurückzuzahlen, Ausdruck der Vorstellung war, an den Vertrag unwiderruflich gebunden zu sein. Insofern hatte das Versprechen des Klägers, mit der Vorfälligkeitsentschädigung das Interesse der Beklagten an der weiteren Erfüllung des Vertrages auszugleichen, in Bezug auf die Frage, ob er sein Widerrufsrecht noch ausüben würde, hier keine weitergehende Aussagekraft als sein vertragstreues Verhalten während der Vertragslaufzeit, aus dem der Darlehensgeber — wie oben ausgeführt — kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten kann. Es müssten deshalb hier weitere Umstände hinzutreten, um aus der Ablösung des Kredits durch den Kläger, der sich in Unkenntnis seines Widerrufsrechts vertragstreu verhalten hat, einen Verstoß gegen Treu und Glauben herleiten zu können (vgl. auch BGH v. 29.7.2008 — XI ZR 387/06 Rn. 18 zu einem Bereicherungsanspruch). Sollte die Beklagte also abweichend von ihrem eigenen Rechtsstandpunkt die Möglichkeit eines Widerrufs in Betracht gezogen haben, mag sie gehofft haben, dass der Kläger nicht widerrufen würde. Ein darauf gerichtetes schutzwürdiges Vertrauen konnte sie aber auf sein Verhalten nicht gründen und sie durfte sich deshalb auch nicht darauf einrichten, dass der Widerruf unterbleiben würde.“
“OLG Stuttgart Urteil vom 24.01.2017 Az. 6 U 96/16 erhältlich unter http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de”
Es gab vereinzelt Gerichte, die das Urteil des BGHs vom 11.10.2016 Az. XI ZR 482/15 zum Anlass genommen haben, eine Verwirkung bei bereits beendeten Darlehensverträgen anzunehmen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es erfreulich, dass sich das OLG Stuttgart, welches direkt von diese BGH-Entscheidung betroffen war, bereits kurze Zeit später dazu in einem recht ähnlichen Fall gegen die selbe Bank äußern konnte.
Das OLG Stuttgart setzt sich hier dezidiert mit den Umständen der Rückführung auseinander und kommt zu dem Schluss, dass die LBBW aus dem Verhalten des Darlehensnehmers kein Vertrauen schöpfen konnte, dass dieser sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben würde.
Letztlich ist dem Darlehensnehmer in der Regel nicht bekannt, dass er noch widerrufen kann. Dies wird gerade im Falle der vorzeitigen Rückführung dadurch deutlich, dass der Darlehensnehmer eben nicht von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht. Die Bank hingegen verschweigt regelmäßig bei der vorzeitigen Rückführung, dass dem Darlehensnehmer noch ein Widerrufsrecht zusteht. Insoweit sind die Banken meist bösgläubig. Das OLG Frankfurt hat es in einem Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14 einmal sehr schön wie folgt gefasst:
„Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin würde auch der Kläger die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, begründet die Schutzwürdigkeit der Beklagten jedenfalls nicht (Senat, Urteil vom 26.08.2015, Az. 17 U 202/14, Juris Rn. 36).“
In diesem Sinne steht, sofern der Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrechts nichts weiß, auch die vorzeitige Rückführung und sogar ein Aufhebungsvertrag der erfolgreichen Durchsetzung eines Widerrufs nicht im Wege.
Das OLG Stuttgart ließ in diesem Verfahren die Revision zu und verwies dazu auf abweichende Rechtsprechung des OLG Schleswig. Es bleibt abzuwarten, ob die LBBW in Revision gehen wird.
Das hier aufgefasste Verfahren des OLG Stuttgart (Az. 6 U 96/16) wurde nicht von der Kanzlei hünlein rechtsawälten geführt.
Der Widerruf von Darlehensverträgen, die bis zum 10.06.2010 geschlossen wurden, ist aufgrund einer Gesetzesänderung heute nicht mehr möglich. Davon nicht betroffen sind ggf. später geschlossene Prolongationsvereinbarungen.
Darlehensverträge, die nach dem 11.06.2010 und vor dem 21.03.2016 geschlossen wurden, sind von dem gesetzlichen Ausschluss des Widerrufsrechts zum 21.06.2016 ebenfalls nicht betroffen. Hier wurden bisweilen immer noch Fehler von den Banken gemacht oder veraltete oder falsche Widerrufsbelehrungen verwendet.
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