Der BGH hat mit Urteil vom 09.01.2018 Az. XI ZR 402/16 ein Urteil des OLG Hamburgs in Sachen Widerruf von Darlehensverträgen vom 22.06.2016 Az. 13 U 71/15 aufgehoben und zurückverwiesen. Dies ist besonders bemerkenswert, weil Banken derzeit gerne mit der Rechtsprechung des OLGs Hamburg argumentieren, wenn es um die angebliche Verwirkung oder die angebliche rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts geht.
Im Falle des BGHs vom 09.01.2018 Az. XI ZR 402/16 ging es um einen Darlehensvertrag der 2006 geschlossen wurde und 2014 widerrufen wurde. Die Zinsbindungsfrist lief bis 2019.
Das OLG Hamburg vertritt in einigen Entscheidungen und so auch hier eine sehr ungünstige Ansicht zu Lasten der Darlehensnehmer. Das OLG Hamburg hat den Widerruf der Darlehensnehmer u.a. deshalb abgewiesen, weil er vermeintlich rechtsmissbräuchlich erfolgt sei.
Der BGH hat zwar in seinen Urteilen vom 12.07.2016 Az. XI ZR 564/15 und Az. XI ZR 501/15 festgehalten, dass bei allen zivilrechtlichen Ansprüchen immer die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB Beachtung finden können. Dies erfasst den handelsüblichen Einwand der Banken in Sachen Widerruf bezüglich der angeblichen Verwirkung und des angeblichen Rechtsmissbrauchs.
In der Tat kann daher der Widerruf im Einzelfall verwirkt sein oder sogar rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden (z.B. ein Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht der bewusst erst nach Jahren den Widerruf erklärt, obwohl er Kenntnis von der fehlerhaften Widerrufsbelehrung hat). Der BGH hat jedoch inbesondere bei noch nicht zurückgeführten Darlehensverträgen ausgeführt, dass die Bank nicht schutzwürdig ist, weil sie jederzeit nachbelehren könnte und daher i.d.R. keine Verwirkung des Widerrufsrechts vorliegt (BGH 12.07.2016 Az. XI ZR 564/15). Hinsichtlich der rechtsmissbräuchlichen Ausbübung des Widerrufs hat der BGH in seinem Urteil vom 16.03.2016 Az. VIII ZR 146/15 ohnehin klargestellt, dass dies nur in extremen Ausnahmefällen der Fall sein kann.
Die Anwendung des § 242 BGB hat immer sehr hohe Anforderungen, weil sie das gesamte Rechtsgefüge aushebelt. Es handelt sich insoweit um Billigkeitsrecht, dass unverhältnissmäßige Härten des Gesetzes abwenden soll. Ob dies in den Widerrufsfällen bei den betroffenen Banken der Fall ist, mag jeder für sich beantworten.
Im deutschen Rechtssystem bestimmen jedoch die Gerichte und allen voran der BGH, was als besondere Härte anzusehen ist.
Bedauerlicherweise hat der BGH aus formalen Gründen heraus sich auf die Position zurückgezogen, dass die Annahme der Verwirkung und des Rechtsmissbräuchs grundsätzlich eine tatrichterliche Würdigung und daher vom BGH nur eingeschränkt überprüfbar ist. Damit nimmer er in Kauf, dass vergleichbare Fälle im Bundesgebiet unterschiedlich bewertet werden können. Während einige Oberlandesgerichte und bisweilen einzelne Senate sehr aufgeschlossen gegenüber der Annahme von Verwirkung und Rechtsmissbrauch hinsichtlich des Widerrufs sind, sind es andere Oberlandesgerichte eben nicht. Daher hängt es derzeit für viele Darlehensnehmer oft mehr vom jeweiligen Gerichtsort und der Geschäftsverteilung ab, ob eine Klage in Sachen Widerruf von Darlehensverträgen Erfolg hat oder nicht als vom tatsächlichen Sachverhalt.
Aufgrund dessen, dass es sich um tatrichterliche Feststellungen handelt, kann der BGH nicht selbst entscheiden, ob Verwirkung oder Rechtsmissbrauch vorliegt oder eben nicht, sondern hat nur zwei Optionen. Er kann die jeweilige Entscheidung aufrecht erhalten oder er verweist sie zurück.
In letzter Zeit hat der BGH eininge OLG Entscheidungen aufgehoben und zurückverwiesen, die den Widerruf mit der Annahme des angeblichen rechtsmissbräuchlichen Widerrufs zurückgewiesen hatten (z.B. vom 19. Senat des OLG Frankfurts BGH 07.11.2017 Az. XI ZR 369/16). Folgerichtig hob der BGH auch das Urteil des OLG Hamburges vom 22.06.2016 Az. XI ZR 402/16 auf und verwies es zur erneuten Verhandlung zurück.
O‑Ton BGH vom 09.01.2018 Az. XI ZR 402/16:
“Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts weisen indessen Rechtsfehler auf. Sie widersprechen dem Grundsatz, dass ein Verstoß des Widerrufenden gegen § 242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 47 mwN). Im Übrigen hängt das Ergebnis einer Subsumtion unter § 242 BGB nicht davon ab, wie gewichtig der Belehrungsfehler ist (Senatsurteil vom 12. Juli 2016, aaO, Rn. 40).”
Es bleibt abzuwarten, wie das OLG Hamburg in der Sache neu entscheiden wird. Die vorliegende Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrages in der Entscheidung des BGHs vom 09.01.2018 Az. XI ZR 402/16 war aufgrund zweier Fehler klar falsch und daher nicht geeignet, dass Widerrufsrecht in Gang zu setzen. Zum einen wurde in der Widerrufsbelehrung der Terminus “frühestens” verwendet und zum anderen irreführend auf die Möglichkeit des Erlöschens des Widerrufsrechts hingewiesen. Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, bleibt als einziger Ausweg der Bank der Weg über die Billigkeitsrechtsprechung des § 242 BGB.
Im voliegenden Fall handelt es sich um einen Darlehensvertrag zur Immobilienfinanzierung der vor dem 11.06.2010 geschlossen wurde.
Bei neueren Darlehensverträgen die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden, kann nach wie vor ein Widerrufsrecht bestehen. Dies ist ggf. dann der Fall wenn wesentliche Pflichtinformationen von Seiten der Bank nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise gemacht wurden.
Betroffene Darlehensnehmer, die den Widerruf in Betracht ziehen, sollten sich fachlich beraten lassen.
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