Der BGH hat mit Urteil vom 03.07.2018 Az. XI ZR 702/16 einmal mehr ein Urteil des 19. Senats des OLG Frankfurts aufgehoben und zurückverwiesen. Der 19. Senat des OLG Frankfurts hatte in seinem Urteil vom 16.11.2016 Az. 19 U 23/16 rechtsfehlerhaft die Verwirkung des Widerrufs der Darlehensnehmer angenommen.
Der Darlehensvertrag wurde 2008 geschlossen, 2013 von den Darlehensnehmern gekündigt und unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zurückgeführt. Der Widerruf erfolgte hingegen erst 2015.
Vorliegend handelte es sich um eine Widerrufsbelehrung der Sparkassen mit dem als falsch eingestuften Terminus „frühestens“. Der BGH stellt in aller Kürze zutreffend fest, dass die Widerrufsbelehrung falsch ist.
Der 19. Senat des OLG Frankfurts hat den Widerruf in diesem Fall aber als verwirkt angesehen. Das OLG Frankfurt führte dabei u.a. aus:
Die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung würde für ein Vertrauen bei der Beklagten sorgen. Die Sparkasse könne daher darauf vertrauen, dass der Vorgang aufgrund der willentlichen Beendigung des Darlehensverhältnisses durch den Darlehensnehmer abgeschlossen sei. Für Diese Annahme spräche ebenfalls, dass der Darlehensnehmer erst 19 Monate nach Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung den Widerruf erklärt hätte.
Überdies würde sich eine Verwirkung des Widerrufsrechts auch aus dem gesetzgeberischen Willen ergeben, den dieser mit seiner Erlöschungsregelung des Widerrufsrechts im § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. statuiert hätte.
Den Ausführungen des OLG Frankfurt zur vermeintlichen Verwirkung des Widerrufsrechts hat der BGH in allen Punkten widersprochen.
Die Annahme, dass die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu einem Vertrauen bei der Beklagten führen würde, die zur Verwirkung des Widerrufsrechts führt, ist gerade nicht ohne weiteres anzunehmen.
„Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (Senatsurteile vom 11. Oktober 2016 — XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 30 und vom 14. März 2017 — XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 27; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 — XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 9).“ BGH 03.07.2018 — XI ZR 702/16
Die Ausführungen des Gesetzes zum Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. sind für die Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts eines Darlehensvertrages gleich völlig irrelevant.
„Er (a.d.F. der Gesetzgeber) hat den Erlöschenstatbestand des § 312d Abs. 3 Nr. 1 BGB aF von der Verweisung in § 312d Abs. 5 Satz 2 BGB aF ausgenommen. Zugleich hat er in § 312b Abs. 5 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung explizit angeordnet, “[w]eitergehende Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers” blieben “unberührt”, und in § 312f BGB in der bis zum 3. August 2009 geltenden Fassung vorgesehen, von den Vorschriften dieses Untertitels dürfe, soweit nicht ein anderes bestimmt sei, nicht zum Nachteil des Verbrauchers oder Kunden abgewichen werden. Auf eine Einschränkung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung für im Wege des Fernabsatzes geschlossene Verbraucherdarlehensverträge hat der Gesetzgeber verzichtet.“ BGH 03.07.2018 — XI ZR 702/16
Einer klaren Absage erteilte der BGH zudem dem immer wieder vorgenommenen Versucht nationales Widerrufsrecht mit vermeintlichen Regelungszielen des europäischen Gesetzgebers oder eigener Auslegung der EU-Richtlinien zu umgehen oder umzudeuten.
„Eine richtlinienkonforme Auslegung darf nicht dazu führen, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird, oder dazu, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeits-vorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181).“ BGH 03.07.2018 — XI ZR 702/16
Der Gesetzgeber hat seinen Willen zum sogenannten ewigen Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. klar zum Ausdruck gebracht. Dieses lässt sich nicht einfach mit Annahmen nach eigenem Ermessen oder Vermutungen umgehen.
Rein die Beendigung des Darlehensvertrages oder die Rückführung oder Aufhebung des Darlehensvertrages führt daher nicht zu einer Verwirkung des Widerrufsrechts nach § 495 BGB. Nur wenn im Einzelfall begründete weitere besondere Umstände hinzukommen, die ein konkretes Vertrauen der Bank rechtfertigen würden, kann im Rahmen einer tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls ausnahmsweise einmal die Verwirkung angenommen werden.
Der 17. Senat des OLG Frankfurts hat dabei z.B. mit seiner Entscheidung vom 10.01.2018 Az. 17 U 134/17 einen Widerruf auch 9 Jahre nach der Rückführung nicht als verwirkt angesehen.
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