Das LG Nürnberg-Fürth hat ein durchaus bemerkenswertes Urteil erlassen (27.04.2015 Az. 6 O 7468/14). Dabei ging es im Wesentlichen um den derzeit noch viel beachteten Verwirkungseinwand und die Frage, ob auch nach einer Darlehensrückführung Jahre später noch widerrufen werden kann.
Dabei wurde folgende Widerrufsbelehrungsformulierung als falsch anerkannt:
„Der Darlehensnehmer ist berechtigt, seine auf den Abschluss des oben bezeichneten Vertrages gerichtete Willenserklärung binnen einer Frist von zwei Wochen, gerechnet ab Eingang des unterschriebenen Darlehensvertrages bei der … , frühestens mit Aushändigung dieser Widerrufsbelehrung, ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, Email) zu widerrufen.“
Ebenfalls fand sich diese Formulierung in der Widerrufsbelehrung:
„Besonderer Hinweis: Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn das empfangene Darlehen nicht binnen 2 Wochen nach Erklärung des Widerrufs bzw. nach Auszahlung zurückbezahlt wird.“
Die Kläger und Darlehensnehmer hatten dabei im Jahre 2007 ein Darlehen aufgenommen und lösten dieses gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung 2011 ab. Nachdem die Kläger im Jahre 2014 dann den Widerruf erklärten, begehrten sie jetzt erfolgreich die Rückzahlung der zuvor gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung.
An der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung selbst bestand im Lichte der herrschenden Rechtsprechung keinerlei Zweifel. Zutreffend führte das LG Nürnberg dazu aus:
“Damit ist es dem Verbraucher nicht möglich zu ermitteln, wann die Widerrufsfrist effektiv zu laufen beginnt. Der BGH hat bereits mit Urteil vom 24.03.2009 (Az.: BGH Aktenzeichen XIZR45607 XI ZR 456/07 = NJW-RR 2009, NJW-RR Jahr 2009 Seite 1275) zu einer ähnlichen Belehrung zutreffend deutlich gemacht, dass es sich der Kenntnis des Darlehensnehmers entzieht, wann der Vertrag bei dem Kreditinstitut eingeht. Der der Verbraucher über interne Abläufe seines Vertragspartners nicht informiert.”
Trotzdem weigerte die Bausparkasse außergerichtlich noch die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung.
Dass der Vertrag dabei bereits seit 3 Jahren abgelöst war ist dabei kein Hinderungsgrund:
„Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass auch der Widerruf eines bereits gekündigten Vertrages noch möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 16.10.2014 (Az. BGH Aktenzeichen IVZR5212 IV ZR 52/12) = NJW 2013, NJW Jahr 2013 Seite 3776 Rz. NJW Jahr 2013 Seite 3776 Randnummer 24). Der herrschenden Rechtsprechung zufolge ist auch eine Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits nicht als Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs zu qualifizieren (OLG Brandenburg, Az. OLGBRANDENBURG Aktenzeichen 4 U 194/11 = BeckRS 2013, BECKRS Jahr 10370). Damit liegt eine bloße Änderung des Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen — und damit auch das Widerrufsrecht — unberührt ließ.“
Völlig rechtskonform und im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung lehnte das LG Nürnberg vorliegend ebenfalls eine Verwirkung ab. In beispielhafter Art und Weise wies es zudem darauf hin, dass mit dem Tatbestand der Verwirkung nur höchst vorsorglich umgegangen werden darf.
„Die Annahme einer vorschnellen Verwirkung darf diese gesetzgeberischen Entscheidungen nicht konterkarieren. Daher kann sie — worauf die 6. Zivilkammer des Landgerichts bereits im Urteil vom 29.09.2014 (Az. Aktenzeichen 6 O 2273/14, veröffentlicht in juris) hingewiesen hat, nur mit größter Zurückhaltung und nach Prüfung der überwiegend schutzwürdigen Interessen angenommen werden.“
Während die Banken den Einwand der Verwirkung in allen Verfahren erheben und ihn damit zu einer Generalklausel erheben wollen, die es ihnen ermöglich geltendes Recht auszuhebeln. Dies überspannt nicht nur den gesetzgeberischen Willen des § 242 BGB, sondern widerspricht schlicht und ergreifend der Aussage des § 355 Abs. 3 BGB a.F. der ausdrücklich nicht von einem Verfall des Widerrufsrechts ausgeht.
Das LG Nürnberg stellt sich mit dieser Entscheidung ebenfalls gegen das OLG Frankfurt, welches bisher eine Verwirkung bereits in einzelnen Verfahren angenommen hatte. Gleichfalls folgt es auch nicht dem OLG Köln und OLG Düsseldorf, die ebenfalls bereits Verwirkung angenommen hatten, allerdings erst 5 Jahre nach Vertragsende.
„Auch die vollständige Ablösung eines Vertrages führt nur im Ausnahmefall zu einer Verwirkung des Widerrufsrechts (vgl. ausführlich Rudy, r+s 2015, RUNDS Jahr 2015 Seite 115, RUNDS Jahr 2015 118 zum Widerspruchsrecht beim Versicherungsvertrag). Der Differenzierung des OLG Frankfurt in dessen Beschluss vom 10.03.2014 (Az.: Aktenzeichen 17 W 11/14 = BeckRS 2015, BECKRS Jahr 05107; zustimmend LG Siegen BKR 2015, BKR Jahr 2015 Seite 116) ist entgegenzutreten. Dieses hat eine Verwirkung mit der Begründung angenommen, dass die dort in Streit stehende Belehrung „grundsätzlich geeignet“ sei, einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aufzuklären. Zu Ende gedacht würde die Entscheidung über die Hintertür die verfestigte BGH-Rechtsprechung konterkarieren. Danach erfordert der Schutz des Verbrauchers eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung (vgl. nur NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 3396; NJW 2007, NJW Jahr 2007 Seite 1946, Rz. NJW Jahr 2007 Seite 1946 Randnummer 13; NJW 2009, NJW Jahr 2009 Seite 3572, Rz. NJW Jahr 2009 Seite 3572 Randnummer 14; NJW-RR 2012, NJW-RR Jahr 2012 Seite 1197, Rz. NJW-RR Jahr 2012 Seite 1197 Randnummer 19). In diesem Sinne ist der Verbraucher nicht nur über sein Widerrufsrecht zu informieren sondern auch in die Lage zu versetzen, dieses auszuüben. Er muss daher auch eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufgeklärt werden (BGH NJW-RR 2009, NJW-RR Jahr 2009 Seite 709, Rz. NJW-RR Jahr 2009 Seite 709 Randnummer 14). Nicht verkannt wird, dass sowohl das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 09.01.2014 (BKR 2014, BKR Jahr 2014 Seite 287) als auch das OLG Köln in seinem Urteil vom 25.01.2012 (BKR 2012, BKR Jahr 2012 Seite 162) ebenfalls die Verwirkung von bereits abgelösten Darlehensverträgen angenommen haben. Allerdings lagen beiden Entscheidungen Fälle zugrunde, in denen zwischen Ablösung und Widerruf knapp fünf Jahre lagen. Nachdem vorliegend jedoch zwischen Kündigung des Darlehens und Widerruf gerade einmal drei Jahre lagen und eine (fiktiv zu bildende) regelmäßige Verjährungsfrist noch nicht einmal abgelaufen wäre, ist eine Verwirkung nicht anzunehmen. Ob und inwieweit der Umstand, dass ein Darlehnsvertrag vorzeitig abgelöst wurde, sich im Rahmen des Verwirkungseinwands überhaupt auswirkt, kann daher vorliegend dahinstehen.“
Zeitgemäß und praxisnah zieht das LG Nürnberg hier den Vergleich zur regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB. Solange keine Verjährung von Rückforderungsansprüchen vorliegen kann, kann auch keine Verwirkung eintreten.
Dieser Ansatz ist nicht nur überzeugend, sondern darf auch gerne von anderen bisher skeptischen Gerichten übernommen werden.
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