Das OLG München hat mit Urteil vom 21.05.2015 Az. 17 U 334/15 eine weitere oft und viel verwendete Variante der Widerrufsbelehrung von Sparkassen als unwirksam angesehen.
In dem vorliegenden Verfahren ging es um mehrere Darlehensverträge aus dem Jahre 2011 bzw. 2012 die 2013 gekündigt und 2014 zusätzlich widerrufen wurden.
Das OLG München ist damit eines der ersten Oberlandesgerichte, das eine Widerrufsbelehrung der Sparkassen nach der großen Reform des Widerrufsrechts zum 11.06.2010 als unwirksam angesehen hat.
Seit dem 11.06.2010 befand sich das maßgebliche Muster der Widerrufsbelehrung in der Anlage 6 zu Art 247 § 6 EGBGB a.F.. Heute findet es sich hingegen in der Anlage 7. Bisher war oft aber unklar ob und wie sich Änderungen des Musters auf die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nach neuerem Recht auswirken. Anders als die Musterwiderrufsbelehrung aus den Jahren zuvor hat die Musterwiderrufsbelehrung und die dazugehörige Regelung in § 6 des Art. 247 EGBGB Gesetzesrang. Der Gesetzgeber sprach im neuen § 495 BGB a.F. auch nicht mehr von einer Widerrufsbelehrung, sondern nur noch von Pflichtangaben, die zu machen sind. Zu diesen gehören aber auch Angaben über das Widerrufsrecht. Insofern lag es nahe, dass es eben nicht mehr auf die wortgetreue Wiedergabe des Musters der Widerrufsbelehrung ankam, sondern vielmehr ob die Pflichtangaben in geeigneter Art und Weise im Vertrag enthalten sind.
Das OLG München hat jetzt klargestellt, dass ein paar Punkte jedoch grundsätzlich auch nach neuem Recht zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformationen führen.
Dabei stützt das OLG München sein Urteil im Wesentlichen auf zwei „Fehler“.
1. Die Widerrufsbelehrung war nicht ausreichend deutlich hervorgehoben.
Dem OLG München hat es nicht ausgereicht, dass die Widerrufsinformationen lediglich als Punkt 14 in die AGBs des Darlehensvertrages mit eingeflochten waren.
Zwar befand sich um die Ziffern 12,13 & 14 ein schwarzer Kasten, der als optische Hervorhebung herhalten kann, jedoch fand keine eigenständige Hervorhebung der Widerrufsinformationen innerhalb dieses Kastens statt. Dies konterkariert dem OLG München nach jedoch das Deutlichkeitsgebot, welches an eine Widerrufsbelehrung bzw. an Widerrufsinformationen zu stellen ist.
Bereits diese optische Darstellung reichte dem OLG München aus, diese Widerrufsbelehrung der Darlehensverträge als unwirksam anzusehen.
2. Der Fristbeginn war nicht eindeutig dargestellt, weil der Darlehensnehmer den Fristbeginn nicht eindeutig erkennen konnte.
Die Widerrufsbelehrung enthielt u.a. folgenden Satz:
„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“
Hierzu führte das OLG München aus:
„Das bedeutet, dass dort lediglich teilweise die notwendigen Pflichtangaben aufgeführt sind, die der Darlehensnehmer erhalten haben muss, damit die Frist für den Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers zum Abschluss des Darlehensvertrages anläuft. Welche weiteren Angaben jedoch der Darlehensnehmer noch erhalten muss, ist dort und auch sonst nicht beschreiben. Damit ist aber nicht klar, wann die Frist zum Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers an und damit die 14-tägige Widerrufsfrist abläuft.“
Die Quintessenz davon ist, dass dieser Passus falsch und fehlerhaft ist und ausreichend wäre, die Widerrufsbelehrung falsch werden zu lassen.
Vorliegend konnten die Kläger daher erfolgreich ihre gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von der Sparkasse zurückverlangen.
Keine Verwirkung
Das Urteil ist ebenfalls erneut ein Erfolg hinsichtlich des viel beachteten Einwands der Verwirkung. Obwohl hier die Darlehensverträge bereits 2013 gekündigt und abgewickelt wurden und der Widerruf erst Mitte 2014 erklärt wurde, sah das OLG München darin kein Problem. Weder wurde Verwirkung angenommen, noch schloss die vorhergehende Kündigung das Recht auf Widerruf aus.
Für betroffene Darlehensnehmer von Sparkassen bedeutete dies, dass Sie auch bei neuen Verträgen von 2011 und 2012 berechtigte Chancen haben Ihr Widerrufsrecht noch durchzusetzen. Sparkassen typisch basierte die hier vom OLG München als falsch angesehene Widerrufsbelehrung der Darlehensverträge auf einem Muster des Sparkassenverbandes.
Wie wir aus unserer eigenen Erfahrung wissen, gibt eine ganze Reihe von weiteren Sparkassen, die ähnliche Formulierungen und Widerrufsinformationen verwendet haben. Diese dürften mit diesem Urteil ebenfalls als falsch und fehlerhaft einzustufen sein und die Erfolgsaussichten für Betroffene steigen.
Betroffene Darlehensnehmer sollten daher nicht zögern, sich rechtlichen Beistand zu holen.
Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich bisher nicht alle Gerichte derart verbraucherfreundlich gezeigt haben, wie es jetzt das OLG München tat. Insbesondere die Ansprüche an die deutliche Hervorhebung der Widerrufsinformationen gehen bei den verschiedenen Gerichten in Deutschland sehr stark auseinander. So sieht es etwa das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung bezüglich einem ähnlichen Sachverhalt gänzlich anders (OLG Düsseldorf Urteil vom 17.04.2015 Az. I‑17 U 127/14). Hier geht das OLG davon aus, dass nur dann eine deutliche Hervorhebung gefordert wird, wenn exakt der Mustertext der Widerrufsinformationen aus der Anlage 6 bzw. 7 zu § 6 des Art 247 EGBGB verwendet wird und ansonsten gerade keine Hervorhebung vorgenommen werden darf.
Inwieweit die „Fehlinformationen“, die das OLG München in den Widerrufsinformationen ausgemacht hat, auch bei anderen Gerichten verfangen würde, darf ebenfalls nur mit Vorsicht beantwortet werden.
Bedauerlicherweise setzt sich das OLG München sowohl hinsichtlich der deutlichen Hervorhebung als auch der inhaltlichen Fehler der Widerrufsinformationen nicht besonders tiefgreifend mit den gesetzlichen Regelungen auseinander. Insbesondere hat der Gesetzgeber selbst in dem maßgeblichen Mustertext der Widerrufsbelehrung lediglich beispielhaft die Pflichtangaben genannt, die enthalten sein müssen und im Übrigen auf die gesetzliche Norm verwiesen.
Das OLG München wirft der Sparkasse jedoch eben dies Verhalten vor und subsumiert aus dem Fehlen einer vollständigen Liste aller Pflichtangaben einen Fehler der Widerrufsbelehrung. Nachdem das Muster jedoch ebenso wie der § 6 des Art. 247 EGBGB Gesetzesrang besitzt und auch der Gesetzgeber nur beispielhaft die notwendigen Pflichtangaben benannt hat und im Übrigen auf die Norm verwies, darf bezweifelt werden, dass andere Gerichte außerhalb des Einflussbereichs des OLG München die Begründung des OLG München so einfach übernehmen werden.
In der Sache hat das OLG München jedoch völlig recht. Die von der dortigen Sparkasse genannten Pflichtinformationen waren unzureichend und der Widerruf berechtigt. Lediglich die rechtliche Begründung des OLG München dürfte andere Gerichte nur bedingt überzeugen. An dieser Stelle sollte und kann ergänzend argumentiert werden.
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