Darlehensrückabwicklung leicht gemacht!
Immer wieder mal führt der BGH in unscheinbaren Beschlüssen und Entscheidungen für die Praxis wichtige Punkte ausführlicher aus, als er es in den nach seiner Meinung nach maßgeblichen Entscheidungen machte.
Dies trifft auf den Beschluss des BGHs vom 12.01.2016 ZR XI 366/15 zu. Dieser Beschluss sorgt nicht nur für Klarheit hinsichtlich des Streitwertes bei Widerrufsklagen (Feststellung), sondern auch für die Art und Weise der Rückberechnung von Darlehensverträgen.
Es erfolgt quasi eine Anleitung zu den bisherigen beiden Grundsatzentscheidungen des BGHs. Der BGH verweist nicht nur auf die beiden hierzu maßgeblichen Entscheidungen vom 22.09.2015 XI ZR 116/15 und vom 10.03.2009 Az. XI ZR 33/08, sondern setzt sich mit der zwischenzeitlich teilweise gegenläufig ergangenen Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur auseinander.
Der BGH fasst in seinem Beschluss vom 12.01.2016 ZR XI 366/15 noch einmal klar und deutlich seine bisherige Rechtsprechung und die Vorgaben zur Rückabrechnung von Darlehensverträgen zusammen.
Bei einer Abrechnung zum Widerrufstag sieht es daher wie folgt aus (BGH ZR XI 366/15 ab Rn. 18):
1.
Der Darlehensgeber hat Anspruch auf die Rückgabe der vollen Nettodarlehenssumme
2.
Der Darlehensgeber hat Anspruch auf Nutzungsersatz vom Darlehensnehmer in Höhe des marktüblichen Zinssatzes.
Dies gilt zumindest dann, wenn nicht die tatsächlichen Nutzungen niedriger waren (z.B. vertraglich vereinbart oder tatsächlich nicht gezogen).
3.
Der Darlehensnehmer schuldet Wertersatz nur für den tatsächlich noch überlassenen jeweiligen Restbetrag.
4.
Der Darlehensnehmer hat Anspruch auf Herausgabe aller Zins- & Tilgungsleistungen.
5.
Der Darlehensnehmer hat Anspruch auf Nutzungsersatz aus seiner gesamten Leistung (Zinsen + Tilgung) gegen die Bank i.H.v. 2,5 bzw. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz oder den tatsächlichen Nutzungen (diese müssen sodann aber nachgewiesen werden).
Der BGH weißt explizit darauf hin, dass der Darlehensnehmer Anspruch auf Verzinsung seiner gesamten Rate (Zins + Tilgung) hat und sofern hier ein Nachteil zulasten der Bank gesehen werden will, dieser im Rahmen des Gesetztes gerechtfertigt ist. Es bestünde weder eine Regelungslücke, die geschlossen werden könnte, noch stünde es den Gerichten frei, hier korrigierend einzugreifen.
6.
Die Vermutung des BGHs hinsichtlich der Nutzungen der Bank gilt, wie bisher entschieden weiterhin unverändert.
Sofern eine der Parteien die Aufrechnung erklärt, können diese gegenseitigen Ansprüche zum Stichtag des Widerrufs saldiert und abgerechnet werden und ergeben die Restschuld zum Widerruf.
Für die Zeit zwischen Widerruf und Entscheidung des Gerichts/Rückzahlung sieht es dann so aus:
Für die Zukunft besteht sodann die Möglichkeit feststellen zu lassen, dass der Darlehensnehmer ab dem Widerruf das jeweils noch überlassene Restkapital gar nicht mehr zu verzinsen hat oder hilfsweise nur noch mit 2,5 Prozentpunkten über Basiszinssatz (derzeit wären dies 1,67 %, Stand 11.04.2016) bzw. den jeweils marktüblichen den der Darlehensnehmer hätte bekommen können (hier bedarf es aber i.d.R. des konkreten Nachweises). Das Ergebnis dieser Anträge hängt jedoch derzeit sehr stark vom jeweiligen Gerichtsort ab.
Diese Anträge schützt bei einem längeren Verfahren die wirtschaftlichen Interessen des Darlehensnehmers und verhindert zugleich, dass die Bank am Ende für den Zeitraum zwischen Widerruf und Rückzahlung mit dem vertraglichen Zinssatz abrechnet. Gleichzeitig werden entsprechend die unter Vorbehalt weiter gezahlten Raten entweder vollständig als Tilgung angerechnet oder entsprechend mit dem jeweiligen Tilgungsanteil bei der o.g. Verzinsung. Dies ist i.d.R. besser als der jeweils vertragliche Zinssatz. Hierzu gibt es zwar noch keine BGH-Entscheidung, allerdings dürfte relativer Konsens darüber herschen, dass ab dem Widerruf das Darlehensverhältnis beendet ist und damit auch die Grundlage für den vertraglichen Zinssatz weggefallen ist.
Nach dem Widerruf hingegen weiteren Nutzungsersatz für die Leistungen von vor dem Widerruf geltend zu machen, ist meistens weniger erfolgsversprechend und wird im Übrigen durch die Möglichkeit der Aufrechnung durch die Bank im Zweifelsfall verhindert. Eine Aufrechnung entfalltet seine Wirkung immer zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche sich das erstemal aufrechenbar gegenüber standen. Dies dürfte regelmäßig der Widerrufstag sein.
Streitwert bei widerrufenen Darlehensverträgen.
Der eigentliche Anlass des BGH Beschlusses war hingegen eine Streitwertbeschwerde. Diese nutzte der BGH jedoch auch für eine neuerliche Klarstellung zur Rückabrechnung von Darlehensverträgen. Insoweit dürfte es hier keinerlei Zweifel mehr über die Art und Weise der Rückabrechnung geben.
Der BGH macht erfreulicher Weise zudem umfangreiche Ausführungen zum eigentlichen Thema des Streitwerts hinsichtlich der Verfahren von widerrufenen Darlehensverträgen. Dabei geht der BGH dezidiert auf viele Ansätze der Instanzgerichte ein.
Demnach ist NICHT als Streitwert anzusetzen:
Die Nettodarlehenssumme mit oder ohne Abzug wegen einer Feststellungsklage
Die Restschuld des Darlehens
Kein prozentualer Anteil der Darlehnssumme
Das 3,5 fache des Jahreszinssatzes des Darlehens.
Es gilt:
Für Feststellungsklagen des Darlehensnehmers wegen des Widerrufs gilt fortan die Summe aller vom Kläger bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen als maßgeblicher Streitwert. Nicht zu beachten sind hierbei freilich Nebenforderungen wie etwa der Nutzungsersatzanspruch.
Bei hinreichend konkretisierten Leistungsklagen auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und/oder der gezogenen Nutzungen bleibt es hingegen bei dem Wert des geltend gemachten Anspruchs als Streitwert.
Der Widerruf von Darlehensverträgen für den Zeitraum vom 01.11.2002 bis 10.06.2010 beginnt sich langsam aber sicher zu vereinheitlichen. Bisher erging aufgrund mangelnder BGH-Rechtsprechung eine sehr differenzierte Rechtsprechung vieler Landes- und Oberlandesgerichte. Vielfach war und ist es noch so, dass es reine Glückssache ist, bei welchem Gericht die betroffenen Darlehensnehmer ihre Ansprüche geltend machen und bei welchem Richter/in sie damit landen.
Mit jeder neuen BGH-Entscheidung fügen sich die Puzzleteile zusammen und es dürfte immer mehr Gerichten schwerfallen, von diesen Vorgaben abzuweichen
Hinsichtlich der Rückabwicklung und der wirtschaftlichen Folgen des Widerrufs von Darlehensverträgen lichtet sich der Dschungel langsam. Exotenentscheidungen, die bisher den Darlehensnehmern jeden Nutzungsersatz verwehrt haben, ohne dass die Bank dezidiert nachweisen konnte, was sie konkret mit dem Geld der Darlehensnehmer gemacht hat oder warum sie gerade keine Nutzungen gezogen hat, dürften damit seltener werden. Gleiches gilt für mehr oder weniger willkürliche Streitwertfestsetzungen von Gerichten.
Sofern zusätzlich die Löschung der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der Restforderung eingeklagt wird, erhöht sich der Streitwert im Übrigen noch einmal um den Nennwert der Grundschuld (so BGH vom 04.03.2016 Az. XI ZR 39/15). Insoweit steigt der Streitwert nicht unerheblich. Dies macht in der Regel daher nur dann Sinn, wenn sich dadurch eine andere für den Darlehensnehmer günstiger Gerichtsort bestimmen lässt.
Auch hier sei darauf hingewiesen, dass aufgrund eines neuen Gesetzes das Widerrufsrecht von Darlehensverträgen, die zwischen dem 01.11.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden, rückwirkend ab dem 21.06.2016 0:00 erlischt.
Betroffene Darlehensnehmer sollten daher nicht zögern, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
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