Das OLG Düsseldorf hat in einem vielbeachteten Urteil vom 30.04.2018 I‑9 U 89/17 festgestellt, dass der Darlehensnehmer eines widerrufenen Immobiliendarlehens ab dem Widerruf der Bank lediglich noch 2,5 Prozentpunkte über Basiszinssatz schuldet.
Das Urteil ist noch nicht bei vielen Kammern und Senaten der anderen Gerichte angekommen und nach wie vor teilweise unbekannt.
Das OLG Düsseldorf setzt sich in seinem Urteil vom 30.04.2018 I‑9 U 89/17 dabei explizit mit dem widerrufenen Darlehensvertrag und der Zeit zwischen Widerruf und Rückzahlung auseinander.
Inhaltlich ging es in dem Verfahren dabei um eine Widerrufsbelehrung für Darlehensverträge die u.a. den Passus „taggleich“ enthielt. Das OLG Düsseldorf sah diese Passage zutreffend als irreführend und falsch in der Widerrufsbelehrung an.
Die Kläger sind nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert worden, da die Verwendung des Begriffs „taggleich“ in der Formulierung „Sofern Sie nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss über Ihr Widerrufsrecht belehrt worden sind, beträgt die Frist einen Monat“ geeignet ist, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, die Widerrufsfrist betrage auch dann nur zwei Wochen, wenn die Widerrufsbelehrung entgegen § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. nicht spätestens bei Vertragsschluss, jedoch noch im Laufe desselben Tages mitgeteilt worden ist.
OLG Düsseldorf 30.04.2018 I‑9 U 89/17
Weiterhin stellt das OLG Düssedorf fest, dass eine zwischenzeitlich abgeschlossene Prolongation des Darlehensvertrages kein Grund ist, das Widerrufsrecht auszuschließen. Eine Prolongationsvereinbarung enthält regelmäßig keinerlei Erklärung des Darlehensnehmers zum Widerrufsrecht.
Ein über ihren Regelungsgehalt hinausgehender besonderer Erklärungswert in Bezug auf den ursprünglichen Vertragsabschluss, dessen Wirksamkeit damals gar nicht im Blickpunkt stand, kam ihr nicht zu. Insbesondere kann die Änderungsvereinbarung nicht als Bestätigung des Darlehensvertrages als solchen gewertet werden; dieser wäre auch ohne die Änderungsvereinbarung, dann nur mit variablem Zins und der Möglichkeit der Ablösung, weitergelaufen. Dass die Kläger seinerzeit keinen Gebrauch von ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht nach Ablauf der Zinsbindung machten, rechtfertigte ebenfalls kein Vertrauen der Beklagten darauf, dass sie ihr Widerrufsrecht dauerhaft nicht mehr ausüben würden. Es handelte sich vielmehr um eine situationsbezogene Entscheidung vor dem Hintergrund der damaligen Marktverhältnisse, die keine Rückschlüsse auf die künftige Wahrnehmung anderer Rechte — hier des Widerrufsrechts — für den Fall veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gestattete.
OLG Düsseldorf 30.04.2018 I‑9 U 89/17
Besonders bemerkenswert ist das Urteil des OLG Düsseldorfs vom 30.04.2018 I‑9 U 89/17 jedoch vor allem wegen seinen Ausführungen zum der Bank zustehenden Nutzungsersatz nach dem Widerruf.
Das OLG Düsseldorf setzt sich dabei sowohl mit der bis dato ergangenen Rechtsprechung des BGHs als auch der anderer OLGs auseinander. Im Ergebnis führt das OLG Düsseldorf dabei aus, dass der Darlehensnehmer der widerruft und nicht zurückführt, nicht schlechter gestellt werden kann und darf, als ein Darlehensnehmer der aus anderen Gründen in Verzug mit der Darlehensrückzahlung gelangt.
Eine Verpflichtung des mit der Erfüllung seiner Rückgewährpflichten nicht in Verzug befindlichen Verbrauchers zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe des Vertragszinses würde diesen auch gegenüber einem Verbraucher benachteiligen, der sich wegen eines den Annahmeverzug begründenden Rückgewährangebots der Bank in Verzug befindet. Wie vorstehend ausgeführt, verweist für diesen Fall § 357 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. auf § 286 Abs. 3 BGB und folglich auf die Regelungen des Verzugs. Die Bestimmung des § 288 Abs. 1 BGB wird bei grundpfandrechtlich besicherten Darlehen aber durch § 497 Abs. 4 Satz 1 BGB (§ 497 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.) verdrängt, wonach der Verzugszins lediglich 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszins beträgt. Diese Vorschrift ist auf die in aller Regel grundpfandrechtlich besicherte Rückgewährforderung aus einem widerrufenen Immobiliendarlehen ebenfalls anzuwenden. Ein Rückgewährschuldner, der von seinem Zurückbehaltungsrecht nach § 348 BGB Gebrauch macht, kann aber nicht schlechter stehen als einer, der sich in Verzug befindet.
OLG Düsseldorf 30.04.2018 I‑9 U 89/17
Diese Ansicht des OLG Düsseldorfs folgt insoweit dem Charakter des Widerrufsrechts für Verbraucherdarlehensverträge als Verbraucherschützende Norm.
Dabei verkennt das OLG Düsseldorf nicht, dass die Rückführung des Darlehens in den meisten Fällen alleine daran scheitert, dass die Bank sich keiner nichtvertraglichen Forderung berühmt und ein Darlehen, welches refinanziert werden muss, ohne die Mitwirkung der ablösenden Bank in aller Regel nicht gegen deren Willen abgelöst werden kann. Somit obliegt es einzig und alleine in der willkürlichen Entscheidung der Bank, ob und wann sie sich ihrer Forderung berühmt und ggf. tatsächlichen Verzug und damit den Verzugszinssatz auslöst.
Im Übrigen wäre die durch § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB begründete Vermutung der Angemessenheit eines Gebrauchsvorteils in Höhe des Vertragszinses für den Zeitraum ab Widerruf schon aufgrund offenkundiger Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO widerlegt. Der Vertragszins ist auch Gegenleistung für die langfristige Vertragssicherheit. Nach Widerruf besteht jedoch eine derartige Sicherheit für den Darlehensnehmer nicht mehr, weil er der jederzeitigen Rückforderung der Darlehensvaluta seitens der Bank ausgesetzt ist. Sobald die Bank sich entschließt, den Widerruf anzuerkennen, und die Erfüllung ihrer Rückgewährpflichten anbietet oder durch Aufrechnung erfüllt, hat der Verbraucher die Darlehensvaluta umgehend zurückzuführen. Auch insoweit tritt mit dem Widerruf eine Zäsur ein, die es nicht gestattet, auf den für ein 2010 langfristig vereinbartes Darlehen marktüblichen Zins zurückzugreifen, sondern es muss ab diesem Zeitpunkt auf die Marktüblichkeit jederzeit kündbarer oder jedenfalls nur kurzfristiger Darlehen abgestellt werden. Für derartige grundpfandrechtlich besicherte Darlehen beträgt der marktübliche Zins ebenfalls etwa 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. So weist die Zinsstatistik der Bundesbank, die eine offenkundige Tatsache darstellt, für besicherte Immobiliendarlehen mit ein- bis fünfjähriger Bindung derzeit sogar Zinssätze von nur 1,5 Prozent aus.
OLG Düsseldorf 30.04.2018 I‑9 U 89/17
Das OLG Düsseldorf hat in dem genannten Urteil im Sinne der Darlehensnehmer entschieden. Insbesondere hat es sich nicht um die weitere Würdigung des Sachverhalts auch nach dem Widerruf gedrückt, sondern eigene Feststellungen zu den diversen Argumenten getroffen, ob und was der Bank nach dem Widerruf ggf. noch zusteht.
Der BGH hatte bereits mit Urteil vom 21.02.2017 Az. XI ZR 467/15 festgehalten, dass mit dem Widerruf eine Zäsur eintritt und sich weitergehende Ansprüche nach den allg. Regelungen des Bereicherungsrechts nach §§ 812 ff. BGB beurteilen. Trotzdem haben und nehmen nach wie vor viele Gerichte an, dass der Darlehensnehmer auch nach dem Widerruf ungeachtet der Umstände Nutzungsersatz in Höhe des vertraglichen Zinssatz schuldet. Dies obwohl die Bank mit dem Widerruf explizit auf vertragliche Zinsen keinen Anspruch mehr hat (u.a. BGH 16.05.2017 Az. XI ZR 586/15).
Selbst wenn aber noch weitere Nutzungsersatz geschuldet wäre, weil es etwa dem Darlehensnehmer nicht gelungen ist die Bank in Annahmeverzug zu setzen, kann und muss dem Darlehensnehmer die Möglichkeit gegeben sein, darzulegen, dass der Bank entweder nur noch der beim Widerruf marktübliche Zinssatz quasi als ersparte Zinsaufwendungen zusteht oder alternative nicht mehr als der Verzugszinssatz nach § 497 Abs. 4 BGB, weil die Bank selbst im worst case, wenn der Darlehensnehmer gar nichts mehr zahlen würde, auch nicht mehr erhalten würde.
Jede andere Sicht würde eine Bank, die den Widerruf umsetzt und sich ihrer Forderung berühmt, schlechterstellen als eine Bank, die den Widerruf zurückweist und auf den vertraglichen Ansprüchen behaart. Die Bank die den Widerruf eines Immobiliendarlehens umsetzt und bei der der Darlehensnehmer nicht leistet, würde ebenfalls nur nach § 497 Abs. 4 BGB den Verzugszinssatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über Basiszinssatz erhalten. Dies sind derzeit aufgrund des negativen Basiszinssatzes von ‑0,88% 1,62 %.
Unabhängig ob andere Gerichte dem Vortrag des OLG Düsseldorfs folgen oder nicht, sorgt es zumindest für eine nicht von der Hand zu weisende Rechtsprechung zu diesem Thema. Dies ermöglicht unter Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss v. 16.6.2016, 1 BvR 873/15) die Zulassung dieser Rechtsfrage zur Revision.
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