Eine Klausel in den AGBs, die die Aufrechnung des Verbrauchers im Falle eines Widerrufs eines Darlehensvertrages erschwert, ist unwirksam. Der BGH hat in seinem Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 umfangreich zu einer von vielen Banken verwendeten AGB-Klausel geäußert.
Gegenstand der Bewertung des BGHs in seinem Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 war folgende Formulierung in den AGBs einer Sparkasse:
„Nummer 11 Aufrechnung und Verrechnung
(1) Aufrechnung durch den Kunden
Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“ BGH 20.03.2018 XI ZR 309/16
Im vorliegenden Fall hatte eine Verbraucherschutzverband gegen eine Sparkasse auf Unterlassen geklagt, diese Klausel zu verwenden. Die Klausel befand sich in den AGBs in der seit Juli 2012 geltenden Fassung. Das OLG Nürnberg hatte die Klage des Verbandes zunächst noch abgewiesen. Der BGH entschied anders und stufte die AGB-Klausel mit Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 als unwirksam ein.
Der BGH tenorierte u.a. wie folgt:
„Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verwendung der angegriffenen Klausel, weil diese nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Dass die Beklagte diese Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet, haben die Vorinstanzen mit Bindungswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt. Eine Wiederholungsgefahr ist auf der Grundlage dieser Feststellungen zu bejahen, da die Beklagte die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 — III ZR 173/12, BGHZ 196, 11 Rn. 17). Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.“ BGH 20.03.2018 XI ZR 309/16
Besonders interessant sind dabei die Ausführungen des BGHs in der Begründung des Urteils vom 20.03.2018 XI ZR 309/16. Der BGH hält die Klausel zur Aufrechnung für eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und bezieht sich dabei explizit auf den Widerruf bzw. das Widerrufsrecht von Darlehensverträgen.
„Nach § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB darf von den gesetzlichen Regelungen über die Rechtsfolgen des Widerrufs (§ 355 Abs. 3 Satz 1, § 357a BGB), soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. Bei den gesetzlichen Vorgaben für das Widerrufsrecht handelt es sich damit um halbzwingendes Recht zu Gunsten des Verbrauchers (BGH, Urteile vom 13. Januar 2009 — XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 17, vom 15. Mai 2014 — III ZR 368/13, WM 2014, 1146 Rn. 36, vom 21. Februar 2017 — XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 17 und vom 25. April 2017 — XI ZR 108/16, WM 2017, 1008 Rn. 21). Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen diesen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senatsurteile vom 21. April 2009 — XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 33, vom 17. Dezember 2013 — XI ZR 66/13, BGHZ 199, 281 Rn. 10, vom 27. Januar 2015 — XI ZR 174/13, WM 2015, 519 Rn. 17 und vom 20. Oktober 2015 — XI ZR 166/14, BGHZ 207, 176 Rn. 30 f.).“ BGH 20.03.2018 XI ZR 309/16
Der BGH führt aus, dass die Klausel eine unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts darstellt.
„Ausgehend von diesem Maßstab führt die angegriffene Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern.” BGH 20.03.2018 XI ZR 309/16
“Die genannten nachteiligen Auswirkungen der angefochtenen Klausel können den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten bzw. die praktische Durchsetzung seiner Forderung erschweren, weshalb in der Vereinbarung dieses Aufrechnungsverbots eine nach § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB unzulässige Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts liegt, so dass die angefochtene Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden führt.“ BGH 20.03.2018 XI ZR 309/16
Insbesondere die Ausführungen des BGHs, dass die AGB-Klausel den Verbraucher bzw. Darlehensnehmer von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten könnte bzw. diesen erschweren würde, können für das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers relevant sein.
Der BGH hatte derartiges bereits in seiner Entscheidung vom 25.04.2017 XI ZR 108/16 angedeutet. Auch in dieser Entscheidung hatte der BGH eine Aufrechnungsklausel einer Sparkasse als unwirksam angesehen und auf die Erschwerung des Widerrufsrechts verwiesen. Hier nannte der BGH die Grundsätze seines Senatsurteils vom 21.02.2017 XI ZR 381/16 als Maßstab. In dieser Entscheidung führt der BGH anhand einer in diesem Fall vorliegenden Widerrufsbelehrung, die u.a. den Passus „der schriftliche Vertragsantrag“ enthielt, aus, dass diese Formulierung objektiv geeignet sei, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.
„Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. Senatsurteile vom 23. Juni 2009 XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 25, vom 12. Juli 2016 XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 26 und vom 11. Oktober 2016 XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 23; BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 IV ZR 94/14, NJW 2015, 3582 Rn. 12).“ BGH 21.02.2017 XI ZR 381/16
Die Folge dieser Erschwerung des Widerrufs bzw. die bloße Möglichkeit, dass der Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrecht wegen der von der Bank gewählten Formulierungen abgehalten werden könnte, reicht dem BGH aus, die Widerrufsbelehrung insgesamt als unzureichend anzusehen. Die Folge einer unzureichenden Widerrufsbelehrung ist, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird und das Widerrufsrecht fortbesteht.
Nachdem der BGH in seinen Ausführungen zu der AGB-Klausel in seinem Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 dezidiert auf eine mögliche Erschwerung des Widerrufsrechts durch diese Formulierung hinweist, könnte dies ergo dazu führen, dass in allen Darlehensverträgen, die diese Klausel enthalten, das Widerrufsrecht kompromittiert ist bzw. der Widerruf erschwert wird und der Darlehensnehmer ggf. vom Widerruf abgehalten wird.
In seinem Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 verweist der BGH darauf, dass die hier relevant Klausel in den AGBs vieler Banken zu finden ist bzw. zu finden war. Der BGH verweist sowohl auf die Sparkassen AGBs (Nr. 11) als auch die AGB-Banken (Nr. 4).
Die AGB-Banken werden vom Bundesverband deutscher Banken e.V. als Muster herausgegeben. Mitglieder sind dabei laut Webseite des Bankenverbandes 200 private Banken, rund 25 außerordentliche Mitglieder und elf Landesverbände (https://bankenverband.de/ueber-uns/). Die Mitglieder werden vom Verband hier genannt (https://bankenverband.de/mitglieder/).
Dies bedeutet nicht, dass alle Sparkassen und alle von dem Bankenverband erfassten 200 Banken diese fehlerhafte Klausel in ihren AGBs verwendet haben.
Die aktuellen AGBs der Sparkassen und AGB-Banken enthalten die vom BGH in seinem Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 monierte Klausel in dieser Form nicht mehr.
Nach einer Überprüfung von hünlein rechtsanwälten vorgelegten Darlehensverträgen samt AGBs aus dem Zeitraum vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 haben einige Sparkassen und private Banken in dieser Zeit die vom BGH gekippte Klausel in ihren AGBs verwendet.
Das LG Ravensburg hat kürzlich in seinem Urteil vom 21.09.2018 Az. 2 O 21/18 unter dem Verweis auf das BGH-Urteil vom 20.03.2018 XI ZR 309/16 den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages als wirksam angesehen. Dies gestützt darauf, dass die dortige Bank die hier vom BGH als unwirksam eingestufte AGB-Klausel verwendet hat und damit den Widerruf laut LG Ravensburg unzulässig erschwert hat.
UPDATE: Der BGH hat dies hinsichtlich des Widerrufsrecht anders geurteilt. Der BGH hat u.a. in seinen Entscheidungen vom 09.4.2019 — XI ZR 511/18 & 02.04.2019 — XI ZR 463/18 ausgeführt, dass die fehlerhafte Aufrechenklausel nicht das Widerrufsrecht kompromitiert und daher nicht zum fortbestehenden des Widerrufsrechts führt.
Für Darlehensverträge, die vor dem 11.06.2010 geschlossen wurden, ist das Widerrufsrecht wegen fehlerhaften oder fehlenden Widerrufsbelehrungen zum 21.06.2016 ohnehin per Gesetz ausgelaufen.
Für neuere Verbraucherdarlehensverträge ab dem 21.03.2016 gelten hingegen i.d.R. Höchstfristen für das Widerrufsrecht und geänderte Voraussetzungen.
Verbraucherdarlehensverträge die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 abgeschlossen wurden, können hingegen bei unzureichenden Widerrufsinformationen oder fehlenden Pflichtinformationen ggf. auch heute noch widerrufen werden.
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