In dem BGH Urteil vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16 hat sich der BGH erneut mit den Widerrufsinformationen beschäftigt, die u.a. als Pflichtangaben bei Immobiliendarlehen auf die Aufsichtsbehörde und das einzuhaltende Verfahren bei einer Kündigung hingewiesen haben. Eine Reihe von Banken haben in den Widerrufsinformationen in einem begrenzten Zeitraum nach der Reform des Widerrufsrechts zum 11.06.2010 bei Immobiliendarlehensverträgen entsprechende Angaben gemacht.
Der BGH hat in einem ähnlichen Sachverhalt mit Urteil vom 22.11.2016 Az. XI ZR 434/15 festgestellt, dass der Verweis auf die „Aufsichtsbehörde“ in den Widerrufsinformationen zwar rechtlich möglich ist, aber sofern diese Angabe im Darlehensvertrag sodann nicht genannt wird, eine Pflichtinformationen fehlt und das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 2 Nr. 2 b) BGB a.F. nicht zu laufen beginnt. Offen war bisher, wie die Nennung von Pflichtangaben außerhalb der Vertragsurkunde zu bewerten ist.
Von dieser Rechtsprechung sind insbesondere Darlehensverträge betroffen, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden. Bei fehlenden Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist können diese Verträge auch heute noch widerrufen werden. Die Bank hat dann keinen Anspruch mehr auf eine Vorfälligkeitsentschädigung und der Darlehensnehmer kommt sofort aus dem Vertrag heraus.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16 die wesentlichen Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung bestätigt. Insbesondere hat er jedoch weitere Ausführungen dazu gemacht, ob die Pflichtinformationen auch außerhalb der Vertragsurkunde angegeben werden können und wenn ja in welcher Form dies möglich ist.
Im vorliegenden Fall befanden sich in den „Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen” (AGB) der Bank entsprechende Hinweise auf eine Aufsichtsbehörde und Kündigungsrechte. Laut Darlehensvertrag waren die „beigehefteten“ AGBs Bestandteil des Vertrages.
Der BGH führt dazu in seinem Urteil vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16 aus, dass die Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. unproblematisch in den weiteren Vertragsbedingungen enthalten sein können. Diese müssen aber sodann auch tatsächlich Bestandteil des Vertrages geworden sein.
Im vom BGH entschiedenen Fall hätten die AGBs an den Vertrag geheftet sein müssen. Nur dann wären sie Bestandteil des Vertrages gewesen. Vorliegend konnte der BGH diesen Umstand nicht entscheiden, weil es dazu an notwendigen Feststellungen der Vorinstanzen fehlte und verwies daher zurück ans OLG Frankfurt.
Sollten die Bank nicht beweisen können, dass die AGBs dem Darlehensvertrag für die Darlehensnehmer beigeheftet gewesen sind, würde es an den entsprechenden Pflichtinformationen fehlen und das Widerrufsrecht hätte fortbestanden.
Die Frage, ob Pflichtinformationen bei Immobiliendarlehensverträgen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. auch außerhalb der Vertragsurkunde übermittelt werden können, bliebt nach dem BGH Urteil vom 22.11.2016 zunächst offen. Hier schafft der BGH mit seinem Urteil vom 04.07.2017 Az. XI ZR 741/16 mehr Klarheit.
Befinden sich daher die notwendigen Pflichtangaben nicht in der Darlehensurkunde selbst, sondern in den weiteren Vertragsbedingungen / Vertragsunterlagen, können diese nur dann als Pflichtangaben gewertet werden, wenn sie tatsächlich dem Darlehensgeber übergeben wurden und im Vertrag hinreichend bestimmt darauf Bezug genommen wurde. Sofern im Darlehensvertrag daher auf die beigehefteten AGBs Bezug genommen wird, dort die Pflichtinformationen zu finden sind und diese auch tatsächlich beigeheftet und dem Darlehensnehmer übergeben wurden, können damit Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. wirksam erteilt werden.
Fehlt hingegen die eindeutige Bezugnahme auf die weiteren Vertragsbedingungen oder sind diese nicht in der im Vertrag festgelegten Art und Weise mit dem Vertrag verbunden oder wurden dem Darlehensnehmer nicht übergeben, fehlt es mithin an den notwendigen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB a.F., sofern sich diese nicht ohnehin aus der Vertragsurkunde ergeben.
Der BGH bleibt seiner bisherigen Linie treu und betrachtet das Widerrufsrecht rein formal. Es geht dabei nicht darum, ob die Pflichtinformationen für Darlehensverträge nach § 492 Abs. 2 BGB a.F., die zwischen dem 11.06.2010 und 20.03.2016 geschlossen wurden, irgendwo zu finden sind, sondern sie müssen im “Darlehensvertrag” benannt werden. Dies gleicht der formalen Betrachtung der Widerrufsbelehrung und deren Fehlern für Darlehensverträge von vor dem 11.06.2010. Der Darlehensvertrag besteht zunächst nur aus der Darlehensurkunde. Weitere Vertragsunterlagen müssen entsprechend in der Darlehensurkunde mit einbezogen werden, nur dann können sie formal geeignet sein, über die notwendigen Pflichtinformationen zu belehren.
Diese weiteren Darlehensunterlagen müssen zudem tatsächlich in der im Vertrag genannten Art und Weise dem Darlehensgeber übergeben worden sein.
Aus diesem Grund können keine vertraglichen Pflichtinformationen im sogenannten europäischen standardisierten Merkblatt kurz ESM stehen. Dabei handelt es sich formal betrachtet um vorvertragliche (Pflicht-) Informationen und eben nicht um vertragliche Pflichtinformationen. Das Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehensverträgen gemäß § 495 BGB a.F. knüpft für die Zeit zwischen 11.06.2010 und 20.03.2016 jedoch an die Übergabe der vertraglichen Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. an und nicht an die vorvertraglichen Informationen. Diese sind zwar zum Teil Deckungsgleich, aber es sind formalrechtlich betrachtet eben unterschiedliche Arten der Informationen.
Die neue Entscheidung des BGHs bringt etwas mehr Rechtssicherheit für betroffene Darlehensnehmer von Immobiliendarlehensverträgen, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden. Bei diesen Verträgen kann auch heute noch ein Widerrufsrecht bestehen, wenn fehlende Pflichtinformationen vorliegen.
Bei Verträgen die vor dem 11.06.2010 geschlossen wurden, wurde das Widerrufsrecht wegen falscher oder fehlender Widerrufsbelehrungen per Gesetz zum 21.06.2016 beseitigt. Ein Widerrufsrecht bei diesen Verträgen ist nur noch dann unter Umständen noch möglich, wenn tatsächliche Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist fehlen (Darlehensurkunde oder Antrag wurde den Darlehensnehmern nie übergeben). Wie die Rechtsprechung jedoch diese Formerfordernisse beurteilt, ist derzeit noch völlig offen.
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