Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 12. Juli 2016 Az. XI ZR 564/15, die Widerrufsbelehrung der beklagten Sparkasse als fehlerhaft angesehen. Der Widerruf der Darlehensnehmerin ist danach wirksam erklärt worden.
Die Widerrufsbelehrung, die der BGH in seinem Urteil vom 12.07.2016 Az. XI ZR 564/15 als falsch angesehen hat, enthielt sowohl den Passus „Die Frist beginnt frühestens …“ als auch die Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“.
Laut BGH ist die Widerrufsbelehrung inhaltlich bereits wegen des Passus „frühestens“ fehlerhaft und falsch.
Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BGHs und war bekannt.
Spannend wurde es hingegen wegen der Frage nach der sogenannten Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB InfoVO. Hiernach kann eine Bank, die genau das Muster der Widerrufsbelehrung in der Anlage 2 zum § 14 BGB InfoVO in der jeweiligen Fassung verwendet hatte, sich darauf berufen, dass sie im besten Vertrauen auf den Gesetzgeber gehandelt hat und daher wurde ihr ein Vertrauensschutz gewährt. Es wurde mithin fiktiv unwiderleglich festgestellt, dass die Bank sodann ausreichend über das Widerrufsrecht belehrt hat. Auf diese Fiktion können sich aber nur die Banken berufen, die das Muster unverändert und ohne inhaltliche Überarbeitung übernommen haben.
Die vorliegende Sparkassenbelehrung entsprach hinsichtlich des Wortlautes zum größten Teil dem damaligen Mustertext. Es gab jedoch u.a. die Fußnote mit dem Inhalt „Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“. Die Sparkasse behauptete, dass kleine und unerhebliche Ergänzungen des Musters nicht zum Verlust des Vertrauensschutzes führen können und daher der Widerruf des Darlehensvertrages unwirksam sei.
Der BGH widersprach dieser Ansicht deutlich und erkannte die widerrufsbelehrung der Sparkasse als eindeutig fehlerhaft an. Die Sparkasse hat u.a. mit der besagten Fußnote in das damalige Muster eingegriffen und damit entfällt der Vertrauensschutz auf das Muster der Widerrufsbelehrung. Die Folge davon ist, dass die Widerrufsbelehrung falsch ist. Ergo war die Klägerin zum Widerruf des Darlehensvertrages noch nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. berechtigt und der Widerruf war wirksam. Die Klägerin konnte daher den zwischenzeitlich überzahlten Betrag von der Bank erfolgreich zurückverlangen.
Der BGH hat dabei auch explizit die Verwirkung des Widerrufs des Darlehensvertrages in dieser Sache abgelehnt.
Nachdem die hier vom BGH entschiedene Sparkassenwiderrufsbelehrung auf dem damaligen Muster des Sparkassenverbandes basierte, bedeutet das Urteil des BGHs vom 12.07.2016 Az. XI ZR 564/15, dass mithin alle Sparkassenbelehrungen aus den Jahren 2002 bis Anfang 2008, die auf demselben Muster basieren und ebenfalls diese Fußnote enthalten, falsch sind.
Viele Gerichte haben dies bisher teilweise anders gesehen und mit mehr oder weniger abenteuerlichen Gründen berechtigte Widerrufe von Darlehensnehmern abgewiesen (z.B. OLG Schleswig). Damit ist jetzt zumindest wegen der Sparkassenbelehrungen mit diesen Fehlern endgültig Schluss. Der BGH hat abschließend entschieden, das werden die unteren Instanzen anerkennen, auch wenn sie nicht formal daran gebunden sind. Insofern wird es vereinzelt immer noch abweichende Urteile geben können.
Gleiches gilt für die Verwirkung und den oft vorbrachten Vortrag der Banken hierzu. Eine Verwirkung des Widerrufsrechts bei noch laufenden Verträgen oder kurzfristig beendeten Verträgen gibt es nicht. Der Rechtsmissbrauch wurde vom BGH bereits in seiner Entscheidung vom 16. März 2016 Az. VIII ZR 146/15 abgelehnt.
Insoweit ist es bedauerlich für all jene, die Ihre Verfahren noch mit diesen Begründungen verloren haben. Nachdem seit dem 22.06.2016 das Widerrufsrecht für darlehensverträge von vor dem 11.06.2010 erloschen ist, hilft diese heute ergangene Entscheidung daher nur Darlehensnehmern, die rechtzeitig den Widerruf erklärt haben und/oder deren Verfahren noch laufen. Bereits rechtskräftig abgelehnte Entscheidungen sind nicht mehr angreifbar.
Es bleibt im Übrigen die vollständige schriftliche Begründung des BGHs abzuwarten.
Es handelt sich bei der heutigen Entscheidung, um eines der ersten Urteile nach langer Durststrecke des BGHs zum Thema Widerruf von Darlehensverträgen für die Zeit vom 01.11. 2002 bis 10.06.2010. Bisher kam es nie zu einem Urteil, weil die Verfahren immer kurz vor Verhandlung „beendet“ wurden. Seit dem Erlöschen des Widerrufsrechts für „Altverträge“ scheint das Interesse an der vorzeitigen Beendigung von Revisionsverfahren beim BGH offensichtlich nachgelassen zu haben, weil keine neuen Widerrufe mehr erfolgen können (Gilt für Darlehensverträge, die bis zum 10.06.2010 geschlossen wurden). Nach dem Erlöschen des Widerrufsrechts für diese Altverträge dürften daher mehr BGH-Urteile zu erwarten sein.
Darlehensnehmer andere Banken oder mit anderen Widerrufsbelehrungen sollten jetzt jedoch nicht erwarten, dass die Banken allgemein einknicken. Die heutige BGH-Entscheidung regelt lediglich diese Sparkassenbelehrung. Hier dürfte es keine Diskussionen mehr über die Fehlerhaftigkeit der Belehrung und der Wirksamkeit des Widerrufs geben. Bei allen anderen Belehrungen wird die Diskussion unverändert weiter gehen.
Übrigens können Darlehensverträge, die nach dem 10.06.2010 geschlossen wurden, immer noch widerrufen werden, wenn bestimmte wesentliche Fehler vorliegen. Dazu gehören falsche oder fehlerhafte Widerrufsinformationen genauso wie fehlende oder falsche Pflichtangaben.
Das sogenannte „ewige“ Widerrufsrecht wurde nicht direkt beseitigt, es steht nur nicht mehr ausdrücklich im Gesetz.
Lediglich für Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, gilt jetzt eine maximale Höchstfrist von 1 Jahre und 14 Tagen für den Widerruf unabhängig davon, ob korrekt oder überhaupt belehrt wurde.
Für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge im Sinne des § 491 Abs. 2 S. 1 BGB gilt auch nach dem 20.03.2016 keine Höchstfrist.
Verbraucherdarlehensverträge (auch Immobiliendarlehen) die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden, werden von dieser Höchstfrist bisher ebenso wenig tangiert.
Betroffene Darlehensnehmer sollten daher nicht zögern, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Die Kanzlei hünlein rechtsanwälte finden Sie in Frankfurt am Main unter folgender Adresse (Kontakt):
hünlein rechtsanwälte
Eschenheimer Anlage 28
60318 Frankfurt a.M.
Tel.: 069–4800789‑0
Fax: 069–4800789-50
E‑Mail: rae@huenlein.de
Ein Kontaktformular und weitere Angaben finden sie unter Kontakt.