Der BGH hat in einer lange erwarteten Entscheidung vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15 dezidiert zur Verwirkung und des rechtsmissbräuchlichen Ausübens des Widerrufsrechts von Darlehensverträgen Stellung genommen.
Dem Urteil lag ein Darlehensvertrag von 2001 zugrunde. Der Darlehensvertrag wurde zudem bereits 2007 vollständig bei der Bank zurückgeführt. Dieser Darlehensvertrag wurde 2014 vom Darlehensnehmer widerrufen. Die beklagte Bank berief sich im Verfahren dabei insbesondere auf eine angebliche Verwirkung und rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts.
Gegenstand der Entscheidung war insoweit u.a., ob ein Widerruf eines bereits beendeten Darlehensvertrages 13 Jahre nach Vertragsschluss noch wirksam sein kann.
Die Vorinstanzen (LG Hamburg & OLG Hamburg) hatten die Klage des Darlehensnehmers gegen die Bank zuvor abgewiesen. Dabei wurde vor allem mit dem Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB begründet. Das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme nach § 242 BGB würde vorliegend zu einer Verwirkung bzw. rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts führen.
Der BGH sah dies in seiner Entscheidung vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15 grundlegend anders.
Zwar stellt der BGH eingangs fest, dass grundsätzlich eine Verwirkung des Widerrufsrechts bei Darlehensverträgen möglich ist. Der BGH fängt sodann aber diese grundsätzliche Feststellung wieder ein und stellt fest, dass die Motivation des Darlehensnehmers zum Widerruf grundsätzlich aber kein Verwirkungsgrund ist.
„Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten, folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen § 242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen. Überlässt das Gesetz — wie das Fehlen einer Begründungspflicht zeigt — dem freien Willen des Verbrauchers, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem Schutzzweck der das Widerrufsrecht gewährenden gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 242 BGB geschlossen werden (…). Gerade weil das Ziel, “sich von langfristigen Verträgen mit aus gegenwärtiger Sicht hohen Zinsen zu lösen”, der Ausübung des Widerrufsrechts für sich nicht entgegensteht, sah sich der Gesetzgeber zur Schaffung des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB veranlasst (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 146).“
(BGH Urteil vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15)
Der BGH greift damit nicht nur die aktuelle Gesetzgebung des Bundes auf, sondern macht einmal mehr deutlich, dass es keine Verwirkung und keine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts nur wegen der angeblichen wirtschaftlichen Motive der Darlehensnehmer gibt.
Vorliegend behandelte der BGH dabei zwar einen Fall, der sich noch nach dem alten Verbrauchkreditgesetz bzw. Haustürwiderrufsgesetz beurteilen ließ, aber auch das Widerrufsrecht für Darlehensverträge vom 01.11.2002 bis heute verlangt keine Begründung des Widerrufs. Die Begründung des BGHs zur Ablehnung der Verwirkung und des REchtsmissbrauchs ist daher auf alle Widerrufsverfahren wegen widerrufener Darlehensverträge anwendbar.
Allerdings lässt der BGH den Banken ein Schlupfloch offen. Vorliegend hat der BGH das Verfahren an das OLG Hamburg zurückverwiesen, weil es nicht entscheidungsreif ist. Dieser Punkt bezieht sich insbesondere auch auf die Frage, ob eine Verwirkung aufgrund der Beendigung des Darlehensvertrages vorliegen kann. Bedauerlicherweise hat der BGH zwar insoweit festgestellt, dass eine Verwirkung des Widerrufsrechts bei einem laufenden Darlehensvertrag kaum bis gar nicht möglich ist, dies bei einem bereits zurückgeführten Darlehensvertrag aber anders aussehen kann, wenn besondere Umstände hinzutreten. Diese werden vom BGH freilich nicht näher definiert.
Der BGH macht in seinem Urteil vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15 am Ende diese folgenschweren Ausführungen:
„Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen wie hier kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB nachzubelehren. Denn zwar besteht die Möglichkeit der Nachbelehrung auch nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags von Gesetzes wegen fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belasteten Rechtsfolgen mehr zeitigt.“
(BGH Urteil vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15)
Hier hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 12.07.2016 Az. XI ZR 501/15 leider um eine klare Entscheidung gedrückt.
Nach diesseitiger freien Interpretation will der BGH damit ggf. kein endloses Widerrufsrecht für bereits beendete Darlehensverträge schaffen, aber sieht eine Verwirkung nach Darlehensbeendigung grundsätzlich erst einmal nicht als gegeben an, sondern erst dann, wenn besondere weitere Umstände hinzutreten.
Es bleibt abzuwarten, wie dies in der Rechtsprechung aufgefasst werden wird. Es steht allerdings zu befürchten, dass die Gerichte, die bisher bei bereits beendeten Darlehensverträgen den Widerruf abgewiesen haben, dies auch weiterhin machen werden.
Faktisch scheint nach diesem Urteil des BGHs aber gerade keine Verwirkung des Widerrufsrechts vorzuliegen, wenn der Widerruf nach Beendigung des Darlehensvertrages in einem vernünftigen tatsächlichen und zeitlichen Rahmen erklärt wird. In diesem Fall hätte der BGH nämlich selbst entscheiden können und ein Urteil fällen dürfen. Nachdem er dies nicht gemacht hat, bedauetet dies, dass es auf den konkreten Sachverhalt ankommt ob und wenn Ja wann eine Verwirkung des Widerrufsrechts nach Beendigung des Darlehensvertrages vorliegt. Hierzu fanden sich in den Vorinstanzen zu wenig feststellungen. Die bloße Rückführung dürfte für die Annahme einer Verwirkung jedenfalls im Lichte dieser Entscheidung nicht ausreichend sein. Welche Gründe der BGH jedoch akzeptieren würde, ließ er offen.
Für betroffene Darlehensnehmer kommt es damit auch weiterhin zu allerst auf die jeweilige Rechtsprechung des OLGs an, in dessen Bezirk geklagt wird.
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