Laut einer Erhebung der Verbraucherzentrale Hamburg vom Juni 2014 sind bis zu 80% der bei Immobiliendarlehen verwendeten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft.
Hier finden Sie einen Überblick über mögliche Fehlerquellen in Widerrufsbelehrungen für Verbraucherdarlehensverträge, die zwischen dem 01.11.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden. Das Widerrufsrecht für diese Verträge ist jedoch zum 21.06.2016 erloschen. Wer seinen Widerruf noch nicht erklärt hat, dürfte es schwer haben, noch Ansprüche geltend zu machen.
Fehler könne bei diesen sogenannten “Altverträgen” dabei sowohl inhaltlicher als auch optischer Natur sein. Die Verbraucherzentrale monierte dabei zahlreiche Fälle in allen Bereichen. Darlehensnehmern, die fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, steht regelmäßig auch heute noch ein Widerrufsrecht zu.
Zunächst ist immer zu differenzieren, in welchem Zeitraum der Darlehensvertrag geschlossen wurde. Maßgeblich für die Widerrufsbelehrung und das Widerrufsrecht sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Regelungen des Widerrufsrechts im BGB, der BGB-InfoVO und/oder dem EGBGB.
Die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen des Widerrufs sind in der Entwicklung des Widerrufsrechts kurz dargestellt.Eine Übersicht welches Recht in welchem Zeitraum für welchen Darlehensvertrag galt, finden Sie in der Darstellung “Welches Widerrufsrecht gilt für welchen Darlehensvertrag”
Das aktuelle Muster für die Widerrufsinformationen für Verbraucherdarlehensverträge findet sich in der Anlage 7 zum Art. 247 § 6 EGBGB und im Anhang zu dieser Seite. Hält sich die Bank exakt an den Wortlaut des Mustertextes der Widerrufsbelehrung, genießt sie den Schutz des geltenden Rechts. Für ältere Mustertexte der Widerrufsbelehrung von vor dem 11.06.2010 hat der BGH etwas Ähnliches, nämlich die sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion anerkannt. In seinem Urteil vom 15.08.2012 Az. VIII ZR 378/11 führt der BGH dies wie folgt aus:
“Die Klägerin kann sich für die Wirksamkeit der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung jedoch darauf berufen, dass diese dem Muster der BGB-Informationspflichten-Verordnung entspricht und somit gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-Informationspflichten-Verordnung aF** als ordnungsgemäß gilt (Gesetzlichkeitsfiktion). Die in § 14 der BGB-Informationspflichten-Verordnung geregelte Gesetzlichkeitsfiktion wird von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB aF*** gedeckt und ist wirksam. Denn mit dieser Ermächtigung verfolgte der Gesetzgeber vorrangig den Zweck, die Geschäftspraxis der Unternehmer zu vereinfachen und Rechtssicherheit zu schaffen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn sich der Unternehmer auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung nicht berufen könnte.”
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich die darlehensgebende Bank nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion oder den Schutz des Gesetzes berufen kann, weicht sie inhaltlich oder optisch von den gesetzlichen Vorgaben der Widerrufsbelehrung ab. Ist die Bank mit ihrer Widerrufsbelehrung von dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Widerrufsmusters abgewichen, ist die erste Hürde für einen wirksamen Widerruf genommen.
Insbesondere für den Zeitraum zwischen 01.11.2002 und 10.06.2010 gibt es mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs, die die damals geltenden Widerrufsbelehrungsmuster für unwirksam halten. Finden sich in Darlehensverträgen diese Formulierungen und hält sich die Bank nicht exakt an die gesetzlichen Vorgaben, ist damit von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung auszugehen.
Beispielsweise hat der BGH in seinem Urteil vom 01.12.2010 (VIII ZR 82/10) geurteilt, dass die vom Gesetzgeber seinerzeit vorgegebene Formulierung der Widerrufsbelehrung:
„Verbraucher können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E‑Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“”
Irreführend und damit fehlerhaft ist. Sollte diese Formulierung in Ihrer Widerrufsbelehrung vorliegen und nicht der Mustertext verwendet worden sein, liegt somit ein bereits vom BGH ausgeurteilter Sachverhalt vor und es bestehen somit gute Chancen, dass noch ein Widerrufsrecht besteht.
Wichtig dabei ist den genauen Wortlaut und die optische Gestaltung der fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu untersuchen. Laut Gesetz muss die Erklärung über das Widerrufsrecht hervorgehoben und in deutlich gestalteter Form dem Verbraucher in Textform übergeben werden.
Typische Fehler, die sich für die Widerrufsbelehrung von Darlehensverträgen ergeben können sind:
- Versteckt im Text, nicht ausreichend optisch hervorgehoben.
- Zu kleine Schrift.
- Angabe einer Telefonnummer (für Altverträge von vor dem 14.06.2014 gilt, der Widerruf kann nur in Textform erfolgen).
- Angaben einer ungültigen Anschrift.
- Falscher oder irreführender Inhalt, sodass der Verbraucher nicht verstehen konnte, wann seine Widerrufsfrist zu laufen beginnt.
- Falsche oder fehlende Angaben auf die Folgen des Widerrufs z.B. dass die Darlehenssumme innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen ist.
- Fehlende Angaben zum Fernabsatzgeschäft.
- Veraltete Mustertextpassagen oder die Angabe veralteter Gesetzeslagen.
- Fehlende Überschriften in der Widerrufsbelehrung.
- Fehlende oder falsche Angaben zu einem “Verbundenen Geschäft”.
- Die Widerrufsbelehrung erfolgt vor Vertragsschluss.
- Zwei widersprüchliche Belehrungen im Darlehensvertrag & den weiteren Vertragsunterlagen
Formulierungen in der Widerrufsbelehrung wie diese, können ebenso fehlerhaft sein:
- „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“
- „Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist.“
- „Die Frist beginnt einen Tag nach Aushändigung von Belehrung und Darlehensvertrag.“
- „Fristbeginn ab Eingang der Vertragsurkunde beim Unternehmen.“
- „Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (…) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“
- “Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Eingang des Darlehensvertrages bei uns.”
- “Die Frist beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrags!
- „Ihr Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn Sie das empfangene Darlehen nicht binnen zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlen.“
- “Wenn das Darlehen vor der Erklärung seines Widerrufs ausgezahlt worden ist, so beginnt die Zwei-Wochen-Frist für die Rückzahlung einen Tag nach der Erklärung seines Widerrufs.”
- Die Fußnote “Frist bitte im Einzelfall prüfen.”
- “Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie den von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrag mit der ebenfalls unterschriebenen Widerrufsbelehrung an uns abgesandt haben.”
- “Ihr Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist und Sie dem ausdrücklich zugestimmt haben.”
- “Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform.”
- “Der Lauf der Frist beginnt frühestens, wenn Ihnen diese Belehrung über Ihr Widerrufsrecht ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor Sie die von uns gegengezeichnete Ausfertigung des Darlehensvertrages erhalten haben.”
- “Die Widerrufsfrist beginnt ebenfalls nicht vor Vertragsabschluss zu laufen. Dieser erfolgt am Tag des Eingangs des von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrags bei der ING-DiBa AG.”
- “Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen 30 Tage nach Absendung Ihrer Willenserklärung erfüllen.”
- “Die Frist beginnt am Tag nach Unterschrift dieses Antrages.”
Jeder Anwalt, der sich dafür berufen fühlt, ebenso wie die Verbraucherzentralen sind in der Lage, Ihre Widerrufsbelehrung zu überprüfen, ob sie Fehler enthält. Die Prüfung einer Widerrufsbelehrung darf dabei nicht unterschätzt werden, weil es seit 2002 eine ganze Reihe von Änderungen an den Gesetzen und den Mustertexten gegeben hat und jeweils nur das Recht Anwendung findet, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt. Gleichzeitig gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Gerichtsurteilen der Instanzgerichte, die die bisherigen Vorgaben des Bundesgerichtshofs modifizieren.
An dieser Stelle sei erneut darauf hingewiesen, dass das Widerrufsrecht für Darlehensverträge, die zwischen dem 01.11.2002 und 10.06.2010 geschlossen wurde, zum 21.06.2016 erloschen ist. Wer seinen Widerruf nicht rechtzeitig erklärt hat, dürfte es nach derzeitiger Gesetzeslage schwer haben, noch Ansprüche geltend zu machen.
Sofern Sie den Widerruf rechtzeitig erklärt haben oder sogar ggf. bereits in einem Verfahren mit der Bank sind, prüfen wir Ihren Darlehensvertrag auf eine falsche oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder setzen Ihr Recht auf Widerruf gegen die Bank durch bzw. bewerten Ihre Chancen. Unsere Kontaktdaten finden sie hier.
Die jeweiligen Muster der Widerrufsbelehrung vom 01.01.2002 bis zum 10.06.2010 finden Sie hier.
Die Kanzlei hünlein rechtsanwälte finden Sie in Frankfurt am Main unter folgender Adresse (Kontakt):
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