Das OLG Dresden reiht sich in die verwirkungsablehnende Phalanx der Oberlandesgerichte ein. Mit Urteil vom 11.06.2015 unter dem Az. 8 U 1760/14 gab es einem klagenden Darlehensnehmer Recht.
Vorliegend wurde das Darlehen im Februar 2008 geschlossen und im Juni 2014 widerrufen. Die verwendete Widerrufsbelehrung enthielt u.a. eine Variante, der bereits mehrfach vom BGH als falsch anerkannte Formulierung „Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“. Entgegen des Vortrags der beklagten Bank konnte diese sich nicht auf die sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Die Abweichungen vom Muster der damaligen Widerrufsbelehrung waren zu groß. Vorliegend fehlte eine Unterüberschrift in der Widerrufsbelehrung und einige der Sätze waren etwas umformuliert worden.
Dem OLG Dresden genügten bereits geringfügige Abweichungen vom Mustertext, um der Bank einen Vertrauensschutz zu verwehren. Diese Entscheidung liegt damit auf einer Linie mit den bisher ergangenen Urteilen des BGHs. Auch dieser lässt bereits kleinste inhaltliche Abweichungen genügen, damit sich eine Bank nicht mehr auf den Vertrauensschutz des Musters berufen kann.
„Obwohl die Änderungen im vorliegenden Fall nur gering sind und den Sinngehalt des Mustertextes nicht wesentlich verändern, kann sich die Beklagte nach dieser Rechtsprechung nicht mit Erfolg darauf berufen. Sie hat sich inhaltlich mit dem Text der Belehrung befasst und Änderungen vorgenommen. So hat sie die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ aus dem Muster verwendet, die Unterüberschrift „Widerrufsrecht“ jedoch nicht.
…
Diese Änderungen stellen eine erhebliche inhaltliche Bearbeitung dar.“
(OLG Dresden vom 11.06.2015 Az. 8 U 1760/14)
Gleichfalls lehnte das OLG Dresden mit ebenso überzeugender Argumentation eine Verwirkung und einen Rechtsmissbrauch ab.
„Für die Annahme der Verwirkung muss der Verpflichtete nicht nur berechtigt gewesen sein, Vertrauen in die „Nichtinanspruchnahme“ des in Frage stehenden Rechts zu entwickeln, sondern darüber hinaus Dispositionen getroffen haben, die für ihn die Erfüllung des Anspruchs unzumutbar machen.“
(OLG Dresden vom 11.06.2015 Az. 8 U 1760/14)
Zudem berief sich das OLG Dresden darauf, dass die beklagte Bank jederzeit hätte nachbelehren können und die Kläger auch nicht rechtsmissbräuchlich handeln könnten, weil es auf die Motivation zum Widerruf schlicht nicht ankommt.
Das in der Sommerflaute ergangene Urteil des OLG Dresden ist ein erneuter Beleg dafür, dass bereits kleinste Änderungen am Mustertext ausreichend sind, um die verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft werden zu lassen. Dies zumindest dann, wenn sie eine ohnehin bereits fehlerhafte Formulierung enthält, wie etwa „Die Frist beginnt frühestens …“.
Mit den Ausführungen hinsichtlich der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs folgt es der überwiegenden Linie der anderen OLGs und des BGHs. Der Vortrag der beklagten Banken ist in der Regel einfach viel zu inhaltsleer, als das sich daraus tatsächlich eine derart große Benachteiligung ergeben würde, dass diese sich auf eine Verwirkung berufen könnten.
In den allermeisten Fällen verdoppeln die Banken lediglich den Zeitmoment und behaupten, dass weil so lange Zeit vergangen ist, das Widerrufsrecht verwirkt sei. Auf den Umstandsmoment und die große absolut ungerechtfertigte Benachteiligung gehen sie in der Regel gar nicht ein. Der Umstandsmoment sei nach den meisten Banken eben gerade deshalb erfüllt, weil so lange Zeit vergangen ist, bis zum Widerruf. Diese Verdopplung des Zeitmoments stellt jedoch einen Zirkelschluss da und mit dieser Argumentation müsste niemand mehr auf irgendeine vertragliche oder gesetzliche Pflicht hin leisten, wenn diese mehr als 1–2 Jahre zurückliegt. Zutreffend lehnen die meisten Gerichte diese Argumentation der Banken auch ab.
Bedauerlicherweise gibt es einige Landgerichte, die eine Mindermeinung vertreten und sich gegen den BGH stellen. Insbesondere das Landgericht Frankfurt sah dieses Jahr in keinem uns bekannten Verfahren einen Widerruf eines Darlehensvertrages als rechtmäßig an. Mit Spannung bleibt zu erwarten, wie sich das Oberlandesgericht Frankfurt positionieren wird, ob es den BGH treuen OLGs folgt oder sich hinter die Mindermeinung des Landgerichts Frankfurt stellen wird.
Letztlich war es allerdings eine Entscheidung des Gesetzgebers, dass das Widerrufsrecht von Verbrauchern bei einem Darlehensvertrag gerade nicht erlöschen sollte, daher ergibt sich naturgemäß nur wenig Platz für die Annahme einer Verwirkung. An diese sind besonders hohe Hürden zu stellen, wie der BGH nicht müde wird zu betonen.
Hier darf aus einem Hinweisbeschluss des LG Triers zitiert werden, welches Dies sehr treffend zum Ausdruck brachte in einem unserer jüngsten Verfahren.
„Hinsichtlich der Verwirkung kann die Kammer nicht erkennen, warum ein Vertrauen der Beklagten in den Bestand ihrer fehlerhaft formulierten Widerrufsbelehrung schutzwürdig sein soll. Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass dem Verbraucher in derartigen Fällen sein Widerrufsrecht zeitlich unbegrenzt erhalten bleiben soll, lässt sich ein allgemeiner Rechtsgrundsatz wie der von Treu und Glauben nicht entgegenhalten. Es mag rechtspolitische Argumente geben, die sich aus dem Gesetz ergebenden Folgen für ungerecht zu halten. Es ist den Gerichten jedoch verwehrt, diesen Argumenten nachzugehen.
Nur wo das Gesetz Räume für rechtliche Wertungen lässt, sei es gewollt oder ungewollt, dürfen Gerichte diese ausfüllen oder schließen und das Recht fortbilden. Es steht ihnen nicht zu, den Willen des Gesetzgebers zu missachten. Dieser elementare rechtsstaatliche Grundsatz scheint bei dem einen oder anderen der in letzter Zeit veröffentlichten Diskussionsbeiträge in den Hintergrund gerückt zu sein.“
In diesem Sinne ist kein Platz für eine Verwirkung.
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