Für Darlehensnehmer sind besonders die Feststellungen des LG Nürnberg-Fürth interessant, die auch auf andere Verfahren übertragbar sind, weil sie nicht auf dem Einzelfall beruhen. Insbesondere ist es ein weiteres Urteil, welches ausdrücklich die Verwirkung des Widerrufs ablehnt. Dies obwohl der Vertrag erst Jahre nach der Kündigung widerrufen worden war. Zugleich wendet sich das LG Nürnberg-Fürth auch gegen die Taktik der Banken, dem Darlehensnehmer als Nutzungsersatz nur noch die Verzugszinsen des § 503 Abs. 2 BGB zuzugestehen und nicht die vom Bundesgerichtshof entschiedenen 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz.
Das LG Nürnberg-Fürth setzt in seinem Urteil vom 20.04.2015 Az. 6 O 9499/14 sowohl das geltende Recht als auch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in die Tat um und kann damit für andere Landgerichte als Vorbild dienen.
Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Darlehensnehmerin wurde von der Bank im März 2009 ein unterschriebener Darlehensvertrag per Post geschickt. Diesen unterzeichnete die Darlehensnehmerin und schickte ihn an die Bank zurück. Im Jahr 2011 kündigte die Darlehensnehmerin den Darlehensvertrag vorzeitig und musste dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank leisten. Mit Schreiben vom 31.10.2014 widerrief die Klägerin dann den Darlehensvertrag.
Das LG Nürnberg-Fürth stellte jetzt klar, dass die Darlehensnehmerin zurecht den Darlehensvertrag widerrufen konnte und die Bank verpflichtet ist, den Darlehensvertrag rückabzuwickeln und die Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen muss.
In der Widerrufsbelehrung des hier entschiedenen Falls (LG Nürnberg-Fürth 20.04.2015 Az. Az. 6 O 9499/14) hieß es im Darlehensvertrag u.a.:
“Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung,
die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages sowie
die Information nach Fernabsatzrecht
zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.”
Darüber hinaus befand sich in den Fernabsatzinformationen des Darlehensvertrages noch eine zweite Widerrufsbelehrung, die einen anderen Wortlaut hatte.
Das LG stellte zutreffend fest, dass die hier verwendete Widerrufsbelehrung falsch und fehlerhaft ist. Weder kann sich die Beklagte auf den Schutz des Musters in der Anlage 2 zum § 14 BGB-InfoVO berufen, noch ist die Widerrufsbelehrung inhaltlich ausreichend, um in angemessener Weise den Darlehensnehmer über sein Widerrufsrecht aufzuklären.
Damit liegt das LG Nürnberg-Fürth mit dieser Entscheidung exakt auf der Wellenlänge des Bundesgerichtshofs, sowohl was die verwendeten Formulierungen in den Widerrufsbelehrungen anbelangt als auch was den Musterschutz angeht (BGH Az. XI ZR 33/08). Gleichzeitig setzt das LG auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm um, welches schon 2012 ausgeführt hatte, dass zwei widersprechende Widerrufsbelehrungen gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 BGB a.F. verstoßen (OLG Hamm Urteil vom 24.05.2012 Az. I‑4 U 48/12).
Dabei steht dem Widerruf nicht entgegen, dass der Darlehensvertrag zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits gekündigt war. Hier führt das LG Nürnberg-Fürth erneut im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGHs aus:
“Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass auch der Widerruf eines bereits gekündigten Vertrages noch möglich ist (vgl. nur IV ZR 52/12 = NJW 2013, 3776 Rz. 24) Der herrschenden Rechtsprechung zufolge ist auch eine Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits nicht als Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs zu qualifizieren (OLG Brandenburg, Az. 4 U 194/11 = BeckRS 2013, 10370). Damit liegt eine bloße Änderung des Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen — und damit auch das Widerrufsrecht — unberührt ließ.”
Keine Verwirkung
Ebenfalls setzt das LG Nürnberg in dieser Entscheidung die Linie des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Widerrufsrechts von Darlehensnehmern um.
“Die Annahme einer vorschnellen Verwirkung darf diese gesetzgeberischen Entscheidungen nicht konterkarieren. Daher kann sie — worauf die 6. Zivilkammer des Landgerichts bereits im Urteil vom 29.09.2014 (Az. 6 O 2273/14, veröffentlicht in juris) hingewiesen hat, nur mit größter Zurückhaltung und nach Prüfung der überwiegend schutzwürdigen Interessen angenommen werden.”
Ausführungen, denen hier nur beigepflichtet werden kann. Bei dem Tatbestand der Verwirkung handelt es sich um einen absoluten Ausnahmetatbestand, der im Einzelfall nur völlig untragbare Ergebnisse des geltenden Rechts korrigieren soll. Eine Verwirkung liegt daher meistens eben gerade nicht vor, auch wenn dies die Banken und Sparkassen gerne behaupten.
Ausdrücklich stellt sich das LG hierbei gegen den viel und oft von Banken und Sparkassen zitierten Beschluss vom 10.03.2014 Az.: 17 W 11/14 des Oberlandesgerichts Frankfurt.
“Der Differenzierung des OLG Frankfurt in dessen Beschluss vom 10.03.2014 (Az.: 17 W 11/14 = BeckRS 2015, 05107; zustimmend LG Siegen BKR 2015, 116) ist entgegenzutreten. Dieses hat eine Verwirkung mit der Begründung angenommen, dass die dort in Streit stehende Belehrung „grundsätzlich geeignet“ sei, einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aufzuklären. Zu Ende gedacht würde die Entscheidung über die Hintertür die verfestigte BGH-Rechtsprechung konterkarieren.”
Kein Auskunftsanspruch gegen die Bank hinsichtlich der Höhe der gezogenen Nutzungen.
Jedoch gab das LG Nürnberg-Fürth der Klägerin nicht in allen Punkten recht. Vorliegend wurde im Wege der Stufenklage die Auskunft über den Nutzungsersatz der Bank und die spätere Auszahlung dessen verlangt. Hier entschied das Gericht, dass ein derartiger Anspruch nicht besteht. Im Ergebnis kann man darüber zwar sicherlich streiten, es ist aber für den Darlehensnehmer aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschmerzbar. Banken müssen bei der Rückabwicklung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin Nutzungsersatz von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz als Nutzungsersatz erstatten.
Streitwert & Kosten
Obwohl die Klägerin im Wege der zugestandenen Leistungsklage zunächst nur die Vorfälligkeitsentschädigung von ca. 10.000 € der Klägerin zugestand, setzte das Gericht den Streitwert auf stattliche 138.485,21 €. Dies begründet dadurch, dass die Klägerin nicht nur die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangte, sondern auch die Feststellung begehrte, dass durch den Widerruf das Darlehensverhältnis rückwirkend aufgelöst wurde. Hierfür setzte das Gericht die volle Restdarlehensvaluta an.
Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten stellt dies für Betroffene ein nicht zu unterschätzendes Kostenrisiko dar. In diesem Fall war es für die Darlehensnehmerin kein Problem, weil der Rechtsstreit zu ihren Gunsten ausging. Bei einem negativen Ausgang hätten sich jedoch erhebliche Verfahrenskosten ergeben, die die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung überstiegen hätten.
Hier muss im Einzelfall abgewogen werden, was für den Betroffenen günstiger ist. Geht es hauptsächlich um die Vorfälligkeitsentschädigung und ist der herausgabepflichtige Nutzungsersatz der Bank gering, lohnt sich eine Feststellungsklage aufgrund des Kostenrisikos i.d.R. nicht oder er sollte konkret auf den Betrag der Rückforderung gerichtet sein.
Letztlich ist er aber auch nicht immer zwingend notwendig, denn alleine durch die Rückforderung der Vorfälligkeitsentschädigung, wird inzident die Wirksamkeit des Widerrufs geprüft. Dies erfolgt dann mit einem überschaubaren Prozesskostenrisiko. Geht das Verfahren zugunsten des Darlehensnehmers aus, kann er, sofern noch nicht verjährt, auch dann noch den Nutzungsersatz herausverlangen.
Insgesamt gesehen zeigt das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.04.2015 Az. Az. 6 O 9499/14 das Betroffene sich nicht von den Banken einschüchtern lassen sollten. Liegt eine fehlerhafte und falsche Widerrufsbelehrung vor, ist die Bank zur Rückabwicklung verpflichtet. Grenzen setzten hier lediglich die Maßstäbe der Verwirkung.
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