OLG Hamm erklärt Widerrufsbelehrung von Sparkasse für unwirksam

Das Ober­lan­des­ge­richt Hamm (OLG Hamm) hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 04.11.2015 Az. 31 U 64/15 eine oft ver­wen­de­te Ver­si­on der Wider­rufs­be­leh­rung von Spar­kas­sen für unwirk­sam erklärt.

Dabei ging es um die Wider­rufs­be­leh­rung der Spar­kas­sen, die sowohl den Pas­sus „Die Frist beginnt frü­hes­tens …“ ent­hielt als auch die Fuß­no­te „Bit­te Frist im Ein­zel­fall prüfen“.

In Anleh­nung, an die bereits umfang­reich vor­han­den Recht­spre­chung zu die­ser Wider­rufs­be­leh­rung, mach­te das OLG Hamm kur­zen Pro­zess und sah die Wider­rufs­be­leh­rung als falsch an.

Das OLG Hamm führt hier­zu in sei­nem Urteil vom 04.11.2015 Az. 31 U 64/15 zur feh­ler­haf­ten Spar­kas­sen­be­leh­rung des Dar­le­hens­ver­tra­ges aus:

„Mit zutref­fen­der Begrün­dung hat das Land­ge­richt aus­ge­führt, dass sich ein Unter­neh­mer nur dann auf die Schutz­wir­kung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV beru­fen kann, wenn er gegen­über dem Ver­brau­cher ein For­mu­lar ver­wen­det, das dem Mus­ter der Anla­ge 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maß­geb­li­chen Fas­sung sowohl inhalt­lich als auch in der äuße­ren Gestal­tung voll­stän­dig ent­spricht (BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az.; XI ZR 349/10, Juris Rz. 37).Dies ist vor­lie­gend schon des­halb nicht der Fall, weil die Beleh­rung für finan­zier­te Grund­stücks­ge­schäf­te abwei­chend von der Mus­ter­be­leh­rung umge­setzt wur­de. Zudem ent­hält die Wider­rufs­be­leh­rung Zusät­ze. Wei­ter­hin fin­det sich in der Über­schrift — abwei­chend von der Mus­ter­wi­der­rufs­be­leh­rung — ein Hin­weis auf eine Fuß­no­te, in der die Auf­for­de­rung ent­hal­ten ist „Bit­te Frist im Ein­zel­fall prü­fen.“ Schließ­lich ist auch der Klam­mer­zu­satz betref­fend mög­li­che Anga­ben zum Wider­rufs­adres­sa­ten in den streit­ge­gen­ständ­li­chen Wider­rufs­be­leh­run­gen in Fuß­no­te 1 in der ver­wen­de­ten Form zumin­dest gestal­te­risch in der Mus­ter­be­leh­rung nicht vorgesehen.“


Inso­fern dürf­te kein Zwei­fel dar­an bestehen, dass ins­be­son­de­re die Wider­rufs­be­leh­rung von Dar­le­hens­ver­trä­gen von Spar­kas­sen, die den Pas­sus „frü­hes­tens“ und die Fuß­no­te „Bit­te Frist im Ein­zel­fall prü­fen“ als falsch anzu­se­hen sind.

Die gegen­tei­li­ge Ansicht des OLG Schles­wig wur­de mit kei­nem Wort erwähnt. Bis­her ist das OLG Schles­wig mit die­ser Ansicht auch allei­ne geblie­ben. Selbst das OLG Düs­sel­dorf hat die­se Fuß­no­ten­be­leh­rung als falsch ange­se­hen (Beschluss vom 10.11.2015 Az. I‑6 U 296/14), nur lei­der Ver­wir­kung ange­nom­men. Dass in der Regel aber gera­de kei­ne Ver­wir­kung vor­liegt, stellt auch hier das OLG Hamm in gewohnt über­zeu­gen­der Manier ein­mal mehr fest:

Ein schutz­wür­di­ges Ver­trau­en kann die Beklag­te schon des­halb nicht für sich in Anspruch neh­men, weil sie die Situa­ti­on selbst her­bei­ge­führt hat, indem sie dem Klä­ger kei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Wider­rufs­be­leh­rung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 Rz. 39). Außer­dem fehlt es an kon­kre­tem Vor­trag, dass und aus wel­chen Grün­den sich die Beklag­te, die – anders als die Klä­ge­rin – hät­te erken­nen kön­nen, dass die von ihr ver­wen­de­te Wider­rufs­be­leh­rung feh­ler­haft war, berech­tig­ter­wei­se dar­auf ein­ge­rich­tet haben will, dass Anle­ger Ver­trä­ge nicht auch noch Jah­re nach deren Abschluss und gege­be­nen­falls auch dann noch wider­ru­fen, wenn der betref­fen­de Dar­le­hens­ver­trag zwi­schen­zeit­lich ein­ver­nehm­lich auf­ge­ho­ben wor­den ist. Dies gilt erst Recht, wenn man berück­sich­tigt, dass die Beklag­te in der Lage gewe­sen wäre, die Klä­ge­rin in wirk­sa­mer Form nach­zu­be­leh­ren (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Im Übri­gen ver­kennt die Beklag­te, dass es eine gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung war, das Wider­rufs­recht nicht nach einem bestimm­ten Zeit­raum erlö­schen zu las­sen, wenn es an einer ord­nungs­ge­mä­ßen Wider­rufs­be­leh­rung fehlt. Die­se gesetz­ge­be­ri­sche Wer­tung kann nicht dadurch unter­lau­fen wer­den, dass man Ban­ken das Recht zubil­ligt, sich der Haf­tung durch die Beru­fung auf § 242 BGB zu entziehen.“

Ande­re Ansich­ten, die bis­wei­len auch von durch­aus pro­mi­nen­ten Ober­lan­des­ge­rich­ten ver­tre­ten wer­den, ent­spre­chen weder der herr­schen­den Mei­nun­gen noch der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs oder sind im Ein­zel­fall begrün­de­te Sach­ver­hal­te. Bedau­er­li­cher­wei­se durf­te sich der Bun­des­ge­richts­hof nicht dezi­diert zum The­ma Ver­wir­kung bei Immo­bi­li­en­dar­le­hen äußern. Aller­dings ist offen­kun­dig, dass in kei­nem der ein­schlä­gi­gen Wider­rufs­ver­fah­ren des Bun­des­ge­richts­hofs hin­sicht­lich von Dar­le­hens­ver­trä­gen bis­her Ver­wir­kung ange­nom­men wurde.

Die­se Ein­zel­fäl­le der Ver­wir­kung lie­gen oft nur dann vor, wenn betrof­fe­ne Dar­le­hens­neh­mer nicht direkt den Wider­ruf erklärt haben, son­dern ver­sucht haben außer­ge­richt­lich mit der jewei­li­gen Bank über eine Ver­trags­an­pas­sung zu ver­han­deln. Grund­sätz­lich han­delt es sich bei dem Wider­ruf um ein ein­sei­ti­ges Gestal­tungs­recht und ist daher vor­be­halt­los und ein­schrän­kungs­los gegen­über der jewei­li­gen Bank zu erklären.

Nach Erfah­rung der Kanz­lei hün­lein rechts­an­wäl­te kommt es immer wie­der vor, dass betrof­fe­ne Dar­le­hens­neh­mer in dem Glau­ben han­deln sich außer­ge­richt­lich mit der jewei­li­gen Bank eini­gen zu kön­nen und nicht den Wider­ruf erklä­ren, son­dern nur dar­auf hin­wei­sen, dass die Beleh­rung falsch ist und sie ggf. ja noch wider­ru­fen könn­ten und daher um eine Ver­trags­an­pas­sung bit­ten. Teil­wei­se wer­den sodann auch Gesprä­che mit Ver­tre­tern der Bank in Eigen­re­gie geführt. In die­sen Fäl­len sind Dar­le­hens­neh­mer dann oft über­rascht, dass die jewei­li­ge Bank nicht nur den Wider­ruf und jede Ver­trags­an­pas­sung grund­sätz­lich ablehnt und ihnen sodann rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten vor­wirft, weil sie ver­sucht haben mit dem Druck­mit­tel des Wider­rufs, die Bank zu bes­se­ren Kon­di­tio­nen zu nöti­gen. Dar­le­hens­neh­mer soll­ten nicht ver­ges­sen, dass bei Ban­ken wirt­schaft­lich und plan­mä­ßig gehan­delt wird und dies im eige­nen Inter­es­se der Bank.

An die­ser Stel­le sei auf einen bekann­ten und vie­len sicher­lich aus Film und Fern­se­hen bekann­ten Spruch verwiesen:

„Sie haben das Recht zu schwei­gen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie ver­wen­det wer­den. Sie haben das Recht, zu jeder Ver­neh­mung einen Ver­tei­di­ger hinzuzuziehen.“

(Quel­le: Wiki­pe­dia „Miran­da v. Ari­zo­na“)

Dies gilt nicht nur im Straf­recht, son­dern auch im Zivil­recht soll­te man kei­nes­falls über­eilt handeln.

Hin­sicht­lich der jetzt auch vom OLG Hamm in sei­ner Ent­schei­dung vom 04.11.2015 Az. 31 U 64/15 als falsch ange­se­hen Wider­rufs­be­leh­rung eines Dar­le­hens­ver­tra­ges einer Spar­kas­se, gibt es bereits eini­ge ande­re ähn­li­che Urtei­le von Oberlandesgerichten.

Ins­ge­samt haben daher bis­her fol­gen­de Ober­lan­des­ge­rich­te in den jewei­li­gen Ent­schei­dun­gen die Wider­rufs­be­leh­rung von Dar­le­hens­ver­trä­gen von Spar­kas­sen als feh­ler­haft ange­se­hen, die die Fuß­no­te „Bit­te Frist im Ein­zel­fall prü­fen.“ enthielten.

  • OLG Karls­ruhe Urteil vom 13.10.2015 Az. 17 U 42/15
  • OLG Karls­ruhe Urteil vom 27.02.2015 Az. 4 U 144/14
  • OLG Bran­den­burg Urteil vom 17.10.2012 Az. 4 U 194/11
  • OLG Mün­chen Urteil vom 21.10.2013 Az. 19 U 1208/13
  • OLG Köln Urteil vom 23.01.2013 Az. 13 U 218/11
  • OLG Köln Beschluss vom 06.11.2015 Az. 13 U 113/15
  • OLG Nürn­berg Urteil vom 11.11.2015 Az. 14 U 2439/15
  • OLG Hamm Urteil vom 04.11.2015 Az. 31 U 64/15
  • OLG Düs­sel­dorf Beschluss vom 22.07.2015 Az. I‑14 U 27/15
  • OLG Düs­sel­dorf Beschluss vom 10.11.2015 Az. I‑6 U 296/14 (hier aber an der Ver­wir­kung gescheitert)

Die­se Ent­schei­dun­gen soll­ten jedem bekannt sein, der sich für den Wider­ruf eines Dar­le­hens mit einer ent­spre­chen­den Wider­rufs­be­leh­rung bei einer Spar­kas­se beschäftigt.

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