Im dem Urteil vom OLG Stuttgart vom 23.5.2017 Az. 6 U 192/16 ging es um einen 2004 geschlossenen Darlehensvertrag. Dieser wurde bereits 2008 unter Verwendung einer Aufhebungsvereinbarung aufgelöst. Der Widerruf erfolgte hingegen erst über 7 Jahre später am 28.12.2015. Das OLG Stuttgart entschied mit Urteil vom 23.5.2017 Az. 6 U 192/16, dass der Widerruf zu Recht erfolgte und das Widerrufsrecht weder verwirkt war, noch rechtsmissbräuchlich ausgeübt wurde.
Daran ändern weder die Rückführung, noch der geschlossene Aufhebungsvertrag oder die lange Zeit zwischen Rückführung und Widerruf etwas.
Das OLG Stuttgart ist in den Widerrufsverfahren von Darlehensverträgen eines der emsigsten Gerichte in der Republik auch und gerade was die Revisionsverfahren vor dem BGH anbelangt. Anders als bei einige anderen Oberlandesgerichten scheut man sich hier nämlich nicht, anstatt eine eigene Überinterpretation der BGH-Entscheidungen vorzunehmen, bei unklarer Rechtslage die Revision zum BGH zuzulassen.
Nicht zu Letzt deshalb gehen einige der wesentlichen Entscheidungen des BGHs hinsichtlich der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs in Widerrufsverfahren auf Urteile des OLG Stuttgart zurück.
Bei noch während der aktiven Laufzeit widerrufenen Darlehensverträgen, ist eine Verwirkung des Widerrufsrechts unter normalen Umständen kaum möglich (BGH 12.7.2016 — XI ZR 564/15).
Bei hingegen bereits zurückgeführten Darlehensverträgen kann sich aus den Umständen im Einzelfall in besonderen Fällen etwas Anderes ergeben.
Das OLG Stuttgart hat sich in seiner Entscheidung vom 23.5.2017 Az. 6 U 192/16 einmal mehr lehrbuchartig mit den Voraussetzungen der Annahme von Verwirkung des Widerrufsrechts bei beendenden Darlehensverträgen befasst und folgerichtig BGH-konform die Verwirkung ausgeschlossen.
Die Urteilsgründe lesen sich daher in weiten Teilen, wie eine Zusammenfassung der aktuellen BGH-Rechtsprechung zum Thema Verwirkung und Rechtsmissbrauch beim Widerrufsrecht von Darlehensverträgen.
Die einvernehmliche Beendigung des Darlehensvertrages beeinträchtigt die Ausübung des Widerrufsrechts nicht (BGH v. 11.10.2016 — XI ZR 482/15 Rn. 28; v. 24.11.2009 — XI ZR 260/08; v. 7.5.14 — IV ZR 76/11; v. 29.7.15 — IV ZR 384/14, Rn. 30).
Der Widerruf ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich erklärt worden, weil er z.B. erst 7 Jahre nach Vertragsende zu erklärt wurde. Die Ausübung des Widerrufrechts obliegt dem freien Willen des Darlehensnehmers (BGH v. 12.7.2016 — XI ZR 501/15 Rn. 23).
Es kommt dabei nicht darauf an, in welchem Maße die Widerrufsbelehrung falsch ist oder ob der Fehler überhaupt Kausal war, dass der Darlehensnehmer bisher nicht den Widerruf erklärt hat (BGH v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16 Rn. 18; v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08; v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15; v. 11.10.2016 XI ZR 482).
Es geht nicht um die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers im Einzelfall, sondern immer nur objektiv darum, kann die vorliegende Widerrufsbelehrung geeignet sein (irgend-) einen Darlehensnehmer daran zu hindern, sein Widerrufsrecht auszuüben (BGH v. 23.6.2009 — XI ZR 156/08, BGH 21.02.2017 XI ZR 381/16).
Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das Ziel des Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (BGH v. 13.1.1983 — III ZR 30/82).
Allein aufgrund eines bis dato vertragstreuen Verhaltens des Darlehensnehmers kann die Banker kein schutzwürdiges Vertrauen bilden, dass der Darlehensnehmer nicht mehr widerrufen wird (BGH v. 12.7.2016 — XI ZR 564/15, Rn. 39–41).
Neu an dem Urteil des OLG Stuttgart ist insoweit, dass es, wie vom BGH gefordert, den Umstand der Rückführung besonders gewürdigt hat. Der BGH hatte in früheren Entscheidungen immer wieder kritisiert, dass die Rückführung des Darlehens auf den Wunsch des Darlehnsnehmers hin nicht genug gewürdigt wurde. Dem kam das OLG Stuttgart jetzt nach und nahm trotzdem keine Verwirkung an.
Das OLG Stuttgart führt in seiner Entscheidung vom 23.5.2017 Az. 6 U 192/16 überzeugend aus, dass i.d.R. auch der Wunsch des Darlehensnehmers zur Rückführung kein vertrauen der Bank rechtfertigt.
„Die Beklagte musste damit rechnen, dass den Klägern ihr Widerrufsrecht bei Ablösung des Kredits und auch in der Zeit danach nicht bekannt war. Für die Beklagte bestand kein Anlass, zu unterstellen, dass die Kläger das Bestehen eines Widerrufsrechts geprüft oder auch nur in Betracht gezogen haben. Aus der maßgeblichen Sicht der Bank ist das Fortbestehen des Widerrufsrechts für den Verbraucher gerade dann nicht ohne weiteres erkennbar, wenn die Widerrufsbelehrung — wie hier — den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH v. 12.7. 2016 — XI ZR 564/15 Rn. 40). Es gab für die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Kläger seien insoweit rechtlich beraten gewesen. Es gab danach keinen Grund für die Annahme, die Kläger übten ihr Widerrufsrecht derzeit bewusst nicht aus und würden deshalb davon auch künftig keine Gebrauch machen.“
Weiter heißt es:
„Hier gab es jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger mutmaßlich auch dann nicht widerrufen würden, wenn sie von ihrem Gestaltungsrecht später Kenntnis erlangen würden. Die Beklagte musste vielmehr in Rechnung stellen, dass die Bereitschaft der Kläger, den Kredit gegen ein Aufhebungsentgelt vorzeitig zurückzuzahlen, Ausdruck der Vorstellung war, an den Vertrag unwiderruflich gebunden zu sein. Das Verhalten der Kläger war demnach hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines späteren Widerrufs neutral, und die Beklagte konnte sich dadurch nicht in der Annahme bestärkt sehen, ein Widerruf werde nicht mehr erklärt. Insofern hatte das Versprechen der Kläger, mit der Vorfälligkeitsentschädigung das Interesse der Beklagten an der weiteren Erfüllung des Vertrages auszugleichen, in Bezug auf die Frage, ob sie ihr Widerrufsrecht noch ausüben würden, im vorliegenden Fall keine weitergehende Aussagekraft als ihr vertragstreues Verhalten während der Vertragslaufzeit, das – wie oben ausgeführt – den Einwand der Verwirkung für sich genommen nicht zu begründen vermag.“
Das OLG Stuttgart schlussfolgert darauf zutreffend, dass gerade keine Verwirkung vorliegen kann.
„Es fehlt danach an auf dem Verhalten der Kläger beruhenden Umständen, die ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten hätten begründen können. Wurde aber bei der Beklagten kein den Klägern aufgrund ihres Verhaltens zurechenbares Vertrauen geweckt, ist der Vorwurf, die Kläger würden sich wegen des späten Widerrufs illoyal verhalten, ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht gerechtfertigt.“
Im Ergebnis zutreffend entschied daher das OLG Stuttgart, dass im vorliegenden Fall der Widerruf rechtmäßig ausgeübt wurde.
Nicht bei allen Gerichten dringt dabei die BGH-Rechtsprechung so gut durch, wie beim OLG Stuttgart in dieser Entscheidung. Es gibt in der Republik nach wie vor große lokale Unterschiede hinsichtlich der Würdigung des Widerrufs von Darlehensverträgen wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen.
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