In einem Beschluss des 23. Senats des OLG Frankfurts, lehnte dieser die Annahme der Verwirkung ab.
Neben dem bereits bekannten Urteil des 17. Senats vom OLG Frankfurt (26.08.2015 Az. 17 U 202/14) gibt es eine ganze Reihe von kürzlich ergangenen Beschlüssen der verschiedenen OLG Senate in Frankfurt.
Besonders bemerkenswert ist hierbei u.a. der Beschluss des 23. Senats vom 02.09.2015 Az. 23 U 24/15. Hier stellt das OLG nicht nur fest, dass es keine Verwirkung des Widerrufs gibt, sondern auch, dass Änderungen unter dem Passus „Finanzierte Geschäfte“ zum Verlust des Vertrauensschutzes auf das jeweils gültige Muster der Widerrufsbelehrung führen können. Maßgeblich ist alleine, ob sich der Verwender an den Mustertext gehalten hat oder inhaltliche Änderungen vorliegen.
Damit widerlegt der 23. Senat auch die bisweilen von einigen Banken vertretene Meinung, dass der 23. Senat grundsätzlich Widerrufssachen ablehnen würde. Dies ist definitiv nicht so. Maßgeblich sind schlicht die konkrete Formulierung der Widerrufsbelehrung und der dahinter stehende Sachverhalt.
Nachdem auch hier die Bank den Passus “Die Frist beginnt frühestens..” verwendet hatte, ging es darum, ob der Vertrauensschutz auf das Muster greift oder nicht (Gesetzlichkeitsfiktion).
Im vorliegenden Fall führte der 23. Senat zutreffend aus:
“Eine maßgebliche Abweichung der Widerrufsbelehrung liegt aber in dem Zusatz über “Finanzierte Geschäfte” gemäß Gestaltungshinweis (9), der entgegen dem Vorbringen der Beklagten gerade nicht mit der hier maßgeblichen Musterbelehrung in der vom 08.12.2004 bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung (vgl. BGBl. I 2004 (Nr.64), 3102, 3111) übereinstimmt. Aus Sicht des Senats durchaus bedenklich erscheint der Umstand, dass die Beklagte die Musterbelehrung in der Klageerwiderung insoweit unzutreffend — nämlich übereinstimmend mit der von ihr tatsächlich verwendeten Fassung — wiedergibt. Tatsächlich lautet S.2 des Gestaltungshinweises Darlehensverträge betreffend:
Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen.
Die vorliegend verwendete Belehrung nutzt dagegen für diesen Satz einen in jeder Hinsicht abweichenden Wortlaut.
Schließlich weicht die verwendete Belehrung auch in der Gestaltung insoweit erheblich von der Musterbelehrung ab, als sie Vertragsdaten zwischen der Überschrift “Widerrufsbelehrung” und der Zwischenüberschrift “Widerrufsrecht” einfügt.”
Dem OLG Frankfurt reichen hier bereits kleine Abweichungen vom Muster aus, um den Musterschutz zu versagen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird vorliegend sehr genau umgesetzt und sollte damit Singalwirkung für das Landgericht Frankfurt haben.
Besonders bemerkenswert ist dabei, dass der 23. Senat des OLG Frankfurt erkannt hat, dass seine vorhergehende Rechtsprechung von einigen Banken fehlinterpretiert wurde.Das OLG Frankfurt weist explizit darauf hin, dass die bisher ablehnenden Entscheidungen des 23. Senats jeweils im Einzelfall begründet lagen.
Bezüglich der Frage, ob es auf die schwere des Eingriffs in den Mustertext für den Verlust des Vertrauensschutzes ankommt, führte das OLG aus:
“Es kommt auch nicht darauf an, ob die Veränderungen wesentlich sind oder sich negativ auf Verständlichkeit der Belehrung auswirken. Maßgeblich ist allein, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er in den Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb unabhängig vom konkreten Umfang der Änderung auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht mehr berufen (BGH NZG 2012, 427 [BGH 01.03.2012 — III ZR 83/11]; NJW-RR 2012, 183 [BGH 28.06.2011 — XI ZR 349/10]). Geringfügige Anpassungen wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz (vgl. hierzu BGH NJW 2014, 2022 [BGH 18.03.2014 — II ZR 109/13]; GuT 2013, 133) bleiben allerdings möglich. Zwar hat auch der erkennende Senat trotz vorliegender Abänderung des Textes der verwendeten Belehrung in Einzelfällen (vgl. etwa Urt.v. 07.07.2014 — 23 U 172/13 -; Beschl.v. 04.08.2014 — 23 U 255/13) die Schutzwirkung der Musterbelehrung bejaht und eine “inhaltliche Bearbeitung” ausnahmsweise verneint. Hierbei handelte es sich aber jeweils um nur geringfügige Anpassungen, bei denen keine Eingriffe in die Wortwahl, den Satzbau oder die Gestaltung der Musterbelehrung vorlagen (z.B. “Frist” statt “Widerrufsfrist”; “2” statt “zwei”; “Ich kann/wir können” statt “Sie können…”). Mit diesen Fällen sind die hier vorliegenden deutlichen redaktionellen Text- und Inhaltsänderungen nicht zu vergleichen. Es bedarf auch nicht etwa der Feststellung, dass sich der Mangel der Musterbelehrung konkret ausgewirkt hat (vgl. BGH NJW 2009, 3020 [BGH 23.06.2009 — XI ZR 156/08]).”
Die weiteren Ausführungen des OLG Frankfurts betreffen insoweit die Verwirkung. Die Verwirkung des Widerrufsrechts bei einem Darlehensvertrag lehnt der 23. Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des BGHs ab. Ähnlich wie die Ausführungen des 17. Senats des OLG Frankfurts, sind auch hier die Ausführungen des Senats ein Schlag ins Gesicht vieler Banken und ihrer teilweise zweifelhaften Argumentationen, warum angeblich Verwirkung vorliegen würde. Hervorzuheben ist dabei, dass der 23. Senat hinsichtlich der Frage nach der Verwirkung nicht darauf abstellt, warum dieser Erklärt wird. Es wird dezidiert darauf hingewiesen, dass der Widerruf zu jedem Zeitpunkt grundlos erfolgen kann.
“Hinzu kommt, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht ohne besondere Begründung ausüben kann, vgl. § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F.; eine wie auch immer geartete “Gesinnungsprüfung” findet nicht statt — und zwar weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach. Insofern ist es ohne weiteres legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen.”
Der 17. und 23. Senat des OLG Frankfurts haben insoweit relativ BGH-konform entschieden.
Wir hatten bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass aber nicht jede Formulierung einer Widerrufsbelehrung falsch ist. Der BGH hat ausdrücklich ausgeführt, dass es inhaltliche Änderungen sein müssen. Daher konnten wir in der Vergangenheit vielen unserer Mandanten auch nicht zur Klage raten. So sehen es auch die OLG Senate des OLG Frankfurts.
Einige Formulierungen sind zumindest beim OLG Frankfurt derzeit daher auch nur schwer bis gar nicht durchsetzbar, sofern der BGH nicht anders entscheidet. Bisher haben fast alle Banken es geschafft BGH-Urteile zu verhidnern. Insoweit bleibt die Hauptlast bei den OLGs hängen.
Die neuerlichen Urteile und Beschlüsse des OLG Frankfurts beendet jetzt immer mehr die bisher negative Rechtsprechung des LG Frankfurts zum Thema Widerruf. Dies zeigt sowohl beim LG Frankfurt als auch bei den betroffenen Banken deutliche Wirkung. Grundvoraussetzung hierfür ist natürlich, dass eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung im Sinne der bisherigen OLG und BGH Rechtsprechung vorliegt.
Betroffene sollten sich daher nicht von vermeintlich negativen Urteilen oder Beschlüssen einschüchtern lassen. Es kommt immer auf den individuellen Sachverhalt und die vorliegende Widerrufsbelehrung an. Oft handelt es sich gerade bei negativen Urteilen und Beschlüssen um Einzelfallentscheidungen.
Es ist jedoch auch so, dass nicht alles positiv ist, was vom OLG Frankfurt entschieden wird. In Frankfurt sind die Senate 1, 3, 9, 10, 17, 19, 23, 24 für Bankensachen zuständig. Während der 17. und 23. immer mehr auf Kurs des BGHs kommen, zögern die anderen Senate noch oder weisen teilweise alles als verwirkt oder unbeachtlich zurück.
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