Das Landgericht Ulm stellt in einem aktuellen Urteil fest, dass es keine unzulässige Rechtsausübung ist, sein Widerrufsrecht bei einem Darlehensvertrag zu nutzen, nur um vom derzeit historisch günstigen Zinssatz profitieren zu können.
Vorliegend schlossen die Darlehensnehmer Ende 2008 einen Darlehensvertrag ab und widerriefen diesen 5 Jahre später (2013) mit der Begründung, sie seien nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Die Bank warf ihnen daraufhin unter anderem vor, nur deshalb den Widerruf zu erklären, um die derzeit günstigen Zinsen für Neukredite für sich in Anspruch nehmen zu können. Dies sei eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts und daher das Widerrufsrecht im Rahmen des § 242 BGB verwirkt.
Das Landgericht Ulm erteilt dieser Argumentation der Bank jedoch in seinem Urteil vom 25.04.2014 Az. 4 O 343/13 eine klare Absage. Es sei unerheblich, ob die Darlehensnehmer den Widerruf nur aus wirtschaftlichen Gründen wegen der niedrigen Zinsen erklären oder nicht. Es obliegt immer dem Unternehmen rechtskonform über das Widerrufsrecht aufzuklären und damit die Widerrufsfrist in Gang zu setzten, dies könne durchaus auch nachträglich mithin später erfolgen. Daher kann sich die Bank nicht darauf berufen, dass ein Widerrufsrecht verwirkt sei. Sie hätte schließlich jederzeit den Darlehensnehmern eine korrekte Widerrufsbelehrung zukommen lassen und sich damit schützen können.
Bei der ursprünglich von der Bank verwendeten Widerrufsbelehrung handelt es sich um eine, die bereits in Teilen durch den Bundesgerichtshof als fehlerhaft anerkannt wurde. Zwar ist das Urteil derzeit noch in der Berufung beim Oberlandesgericht Stuttgart unter dem Az. 6 U 77/14 anhängig, es wäre aber überraschend, wenn das Oberlandesgericht die Klage aufgrund von einer Verwirkung abweisen würde. Letztlich hat sich das Landgericht Ulm zutreffend auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezogen, der für die Verwirkung eines Widerrufsrechts nur sehr enge Grenzen sieht. Eine Verwirkung des Widerrufsrechts wurde bisher lediglich im Rahmen sehr langer Zeiträume (über 20 Jahre) oder längere Zeit nach der Kündigung bzw. vollständigen Rückführung (5 Jahre) von den Instanzgerichten anerkannt. Wobei bisher keine aussagekräftige höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshof vorliegt, die feststellt, ab wann ein Widerrufsrecht eines Darlehensnehmers verwirkt ist. Daher ist eine Verwirkung vor Kündigung bzw. vollständigem Abschluss des Darlehensvertrages nur schwer möglich, hierfür müssen schon besondere Gründe vorliegen.
Es ist als positiv zu bewerten, dass sich ein Gericht so ausdrücklich hinter die wirtschaftlichen Interessen der Darlehensnehmer stellt und deutlich macht, dass auch Verbraucher berechtigte wirtschaftliche Interessen haben, deren Umsetzung nicht gleich zur Verwirkung ihrer Rechte führt.