Formfehler bei Widerrufsbelehrungen von Darlehensverträgen geben – auch Jahre nach Vertragsschluss – vielen Verbrauchern die Möglichkeit, den Vertrag vorzeitig aufzulösen, ohne die sonst übliche Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. So hat bspw. die Verbraucherzentrale Hamburg recherchiert, dass fast 80 % aller Widerrufsbelehrungen von Immobilienkrediten fehlerhaft sind, wobei es zwischenzeitlich hierzu auch eine Vielzahl von Urteilen unterschiedlichster Land- und Oberlandesgerichte gibt. Obgleich die Rechtslage häufig zu Gunsten der Verbraucher bzw. Kunden spricht, ignorieren die meisten Banken insbesondere die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und weisen zumeist den Widerspruch des Verbrauchers zurück.
Angesichts von schätzungsweise 15 Mio. in Deutschland laufenden Darlehensverträgen dürften durchaus 10 bis 12 Mio. Verträge betroffen sein, in denen sich Bankkunden über den in der Öffentlichkeit zwischenzeitlich häufig so bezeichneten „Widerrufsjoker“ von ihren Darlehensverträgen lösen und damit ihre Zinslast erheblich senken können.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung sind in § 355 BGB geregelt, wonach die Widerrufsfrist mit dem Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beginnt. Eine Widerrufsbelehrung muss danach eine deutliche Belehrung über die wesentlichen Rechte und Pflichten enthalten und sich auch vom übrigen Vertragstext hervorheben und deutlich gestaltet sein. Von besonderer Bedeutung ist hierbei insbesondere die erforderliche Belehrung über den Beginn der Frist, d.h. dass eine eindeutige Benennung des maßgeblichen Ereignisses, das die Frist in Gang setzt und vom Verbraucher auch eigenständig ermittelt werden kann, bezeichnet wird. Auch darf eine Widerrufsbelehrung keine Zusätze enthalten, die für den Verbraucher verwirrend sind, ihn ablenken oder von ihm sogar missverstanden werden können.
Über eine Reihe von unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen haben in den vergangenen Jahren die Gerichte geurteilt, wobei insbesondere der BGH wiederholt aufgezeigt hat, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung gestellt und welche Fassungen als unzureichend angesehen werden müssen. Als bekanntestes Beispiel ist hierbei vom BGH eine häufig verwendete Formulierung aus der Musterwiderrufsbelehrung von 2002: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“ beurteilt worden, zu der der BGH festgestellt hat, dass ein Verbraucher dem Wort „frühestens“ zwar entnehmen kann, dass der Beginn der Widerrufsfrist noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, jedoch im Unklaren darüber gelassen wird, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt. Sämtliche Widerrufsbelehrungen, die diese Formulierung verwenden, sind nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung schon allein deshalb nicht ordnungsgemäß.
Häufig wird von Gerichten auch beanstandet, dass entgegen den gesetzlichen Anforderungen in Widerrufsbelehrungen sich keine ladungsfähigen Anschriften des Unternehmens finden, sondern nur Postfachadressen oder gar Telefonnummern genannt sind, obgleich ein Telefonanruf für einen wirksamen Widerruf (Textform) gerade nicht ausreicht. Auch genügen viele Widerrufsbelehrungen nicht dem vom Gesetz verlangten Deutlichkeitsgebot. So müssen die Widerrufsbelehrungen in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form im Vertragstext wiedergegeben werden. Oft haben Banken die Belehrungen ohne jegliche Hervorhebung in den übrigen Vertragstext eingearbeitet, nur durch anderen Drucktype vom übrigen Vertragstext abgesetzt oder auch andere Vertragsteile in gleicher Weise oder mit gleicher Wirkung drucktechnisch hervorgehoben, sodass sich die Widerrufsbelehrung dadurch nicht deutlich genug vom übrigen Vertragstext abhebt.
Selbst bereits gekündigte oder aufgelöste Darlehensverträge können bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch nach Beendigung des Darlehensverhältnisses noch widerrufen werden, sodass etwa bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen von den Banken zurückgefordert werden können.
So hat bspw. das Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 11.12.2013 (2–04 O 294/13) eine Bank zur Rückzahlung der von der Kundin gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 11.709,76 € verurteilt, obgleich der Darlehensvertrag zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits gekündigt und vollständig abgewickelt war, „da die Kündigung einem späteren Widerruf jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ausreichend belehrt worden ist“.
Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass gleichwohl nicht jeder Fehler automatisch zur Ungültigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung liegt erst dann vor, wenn die verwendete Widerrufsbelehrung für den Verbraucher auch nachteilig ist. Solche Nachteile ergeben sich etwa, wenn der Verbraucher die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs nicht zweifelsfrei erkennen kann, er über die Rechtsfolgen oder seine weiteren Rechte und Pflichten nicht unmissverständlich informiert wird oder die Belehrung nicht deutlich genug hervorgehoben ist.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass das zunächst einfach erscheinende Widerrufsrecht sich als durchaus diffizil darstellt, sodass sich deshalb grundsätzlich für jeden Verbraucher empfiehlt, sich bei der Überprüfung einer Widerrufsbelehrung juristisch beraten zu lassen, etwa durch die sehr kostengünstig arbeitenden Verbraucherzentralen oder auch entsprechend spezialisierte Anwälte.
Nachdem die Banken in den seltensten Fällen – trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung – den Widerruf eines Darlehensvertrags akzeptieren, müssen sich die Kunden darauf einstellen, den ihnen zustehenden Anspruch bzw. die Wirksamkeit ihres Widerrufs gerichtlich feststellen zu lassen. Hierbei sind Rechtsschutzversicherer dann eintrittspflichtig, wenn die Bank einen rechtmäßig erklärten Widerruf zurückweist, sodass eine gerichtliche Klärung notwendig wird.
Klaus Hünlein
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht